Schäuble will Einigung auf Online-Durchsuchungen während der Sommerpause

Der EU-Justizkommissar hat sich erneut für die Pläne des Bundesinnenministers zum Ausbau der Netzüberwachung eingesetzt, während ein SPD-Innenexperte Bedingungen für eine gesetzliche Regelung zum Festplatten-Ausspähen genannt hat.

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble drückt im Streit um heimliche Online-Durchsuchungen weiter aufs Gaspedal. Nachdem der Koalitionspartner SPD eine Einigung vor der parlamentarischen Sommerpause verhindert und damit die ursprüngliche Zielsetzung des CDU-Politikers durchkreuzt hat, strebt er nun nach Informationen der Tageszeitung Die Welt die Durchsetzung seines Prestigeprojekts bis Ende August noch während der sitzungsfreien Wochen des Bundestags an. Ein erstes neues Gespräch zu dem umkämpften Thema der Netzbespitzelungen nach dem Abbruch der Verhandlungen durch die SPD-Fraktion ist bereits für den morgigen Freitag zwischen seinem Haus und dem Bundesjustizministerium geplant.

Nachdem in den Reihen der Sozialdemokraten die Kompromissbereitschaft zunimmt, hat der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz drei Mindestbedingungen für eine Befugnis des Bundeskriminalamtes (BKA) für das Ausspähen von Festplatten privater PCs und von Speicherplattformen im Netz genannt. "Nötig sind ein Richtervorbehalt, der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und eine Benachrichtigungspflicht des Bundeskriminalamtes an die Betroffenen", erklärte er im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu möglichen Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Unklar ist bei der geplanten, tief in die Grundrechte einschneidenden Ermittlungsmaßnahme aber weiterhin, wie höchstpersönliche Bereiche auf der Festplatte konkret einem Zugriff der Polizei verwehrt bleiben könnten. BKA-Präsident Jörg Ziercke hatte hier schon frühzeitig als mögliche Lösung ins Feld geführt, durch den Einsatz von "Schlüsselbegriffen" bei der verdeckten Durchsuchung private Dateien bewusst außen vor zu halten. Sicherheitsexperten und Datenschützer halten einen solchen Ansatz aber für gänzlich impraktikabel und nicht ausreichend für den Kernbereichsschutz. Auch ein Ansatz, die Verwertbarkeit der abgezogenen Informationen erst durch einen Richter im Nachhinein prüfen zu lassen, dürfte nur schwer mit dem Grundgesetz vereinbar sein.

Andere Innenpolitiker der SPD halten ihre Bedenken gegen eine rasche Verabschiedung der Novelle des BKA-Gesetzes mit der Lizenz zum Online-Schnüffeln und zahlreichen weiteren neuen Präventivbefugnissen für die Polizeibehörde wie etwa zur Rasterfahndung oder zum Abhören von Internet-Telefonaten daher weiter aufrecht. "Es macht keinen Sinn, das Thema Online-Durchsuchungen gesetzlich zu regeln, bevor nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt. Das hat die Arbeitsgruppe Inneres der Fraktion beschlossen", meint der sozialdemokratische Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy. Die Karlsruher Richter prüfen derzeit das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das erstmals eine gesetzliche Grundlage für den verdeckte Online-Durchsuchungen für Verfassungsschützer enthält.

Weitere Rückendeckung hat Schäuble derweil vom EU-Justizkommissar Franco Frattini erhalten. Dieser begrüßte erneut das Durchforsten von Festplatten bei Menschen, die ernsthafter Verbrechen wie Terrorismus verdächtigt werden: "Ich bin dafür", sagte er der Financial Times Deutschland. Auch die Idee des Bundesinnenministers, Terrorverdächtige und "Gefährder" mit Handy- und Internetverboten zu überziehen, hält Frattini für "fantastisch". Er räumte aber zugleich ein, dass die Kontrolle einer solchen Regelung wohl kaum möglich sei. Die heftig umstrittene gezielte Tötung von Terrorverdächtigen, die Schäuble ebenfalls ins Gespräch gebracht hatte, lehnte der Brüsseler Politiker ab: "Dass wir gegen den Terrorismus kämpfen, kann nicht implizieren, dass wir Leute töten." Er widersprach insgesamt dem Ansatz, dass Defizite bei der Terrorabwehr hauptsächlich mit neuen gesetzgeberischen Initiativen gedeckt werden sollten. Im "operativen" Bereich der Umsetzung bestehender Anti-Terror-Regelungen besteht seiner Ansicht nach "ganz sicher" mehr Handlungsbedarf als im legislativen.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)