EU-Parlament bemängelt Abkommen zum Fluggastdatentransfer

In einer einstimmig angenommenen Resolution fordert das EU-Parlament, die nationalen Parlamente sollten das Abkommen zum Transfer der Passenger Name Records europäischer Fluggesellschaften in die USA genau unter die Lupe nehmen.

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Von
  • Monika Ermert

Das EU-Parlament hat in seiner Sitzung heute in Straßburg das EU-US-Abkommen zur Weitergabe von Fluggastdaten (Passenger Name Records, PNR) an US-Behörden äußerst kritisch gewürdigt. In einer gemeinsamen Resolution aller Fraktionen, dem sich nach einigen Ergänzungen zum Schluss auch die Europäischen Christdemokraten (EVP/ED) anschlossen, werden die nationalen Parlamente aufgefordert, "den vorliegenden Entwurf sorgfältig im Licht der in dieser Resolution angestellten Beobachtungen zu überprüfen".

Ende Juni hatten Vertreter aller EU-Mitgliedsstaaten dem Abkommen zum Transfer der Flugpassagierdaten zugestimmt. Mit der von August an geltenden Übereinkunft sollen die Passenger Name Records (PNR) künftig standardmäßig 15 statt bislang dreieinhalb Jahre in den USA vorgehalten werden. Die Zahl der Datenfelder, welche die Fluglinien über den Atlantik schicken, soll im Gegenzug von 34 auf 19 schrumpfen. Diese Absenkung komme allerdings dadurch zustande, dass "verschiedene Datenelemente wie etwa Identifikationsdaten zusammengeführt werden, ohne dass sich am Datenumfang etwas ändert", monierte bereits im Juni der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Das EU-Parlament führt nun in seiner Resolution vor allem drei Punkte an, die es trotz der besonders vonseiten der EVP anerkannten Bemühungen um eine rechtliche Grundlage für die europäischen Fluggesellschaften moniert. So kritisieren die Abgeordneten den Alleingang von Rat und Kommission bei den Verhandlungen und die nicht ausreichende Befassung der nationalen Parlamente. Außerdem gebe es eine fortgesetzte Rechtsunsicherheit in Bezug auf die tatsächlichen Verpflichtungen der Fluggesellschaften und die rechtliche Bindung des Department of Homeland Security (DHS). Darüberhinaus bemängeln die EU-Parlamentarier den Verzicht auf adäquate Datenschutzstandards.

Die als Verbesserung gefeierte Verringerung der Zahl der Datensätze bezeichnen die Parlamentarier in der Entschließung als Kosmetik. Nicht an die große Glocke gehängt wurde von der deutschen Präsidentschaft auch, dass künftig die bislang einbezogenen Datenschützer gerade nicht mehr an der jährlichen Evaluation der Maßnahme beteiligt werden sollen. Zudem erscheint das Zugeständnis, bis 2008 ein Push-System einzuführen, den Parlamentariern offensichtlich nicht ganz ernst zu sein. Man begrüße die Bereitschaft, den Transfer der Passagierdaten so umzustellen, dass das DHS die Daten nicht mehr selbst absaugt, sondern sie zugespielt bekommt. Man bedauere aber, dass diese Umstellung – "die bereits im Fluggastdatenabkommen von 2004 vorgesehen war" – seit Jahren hinausgezögert werde.

In den Jubel darüber, dass nun ein Abkommen mehr Rechtssicherheit für Fluglinien und deren Gäste schaffe, möchten viele Parlamentarier nicht einstimmen. Abgesehen davon, dass das DHS nicht wirklich vertraglich, sondern nur durch die eigenen Zusagen gebunden ist, bedauert das Parlament vor allem "das Fehlen einer klaren, eingegrenzten Zweckbestimmung im Brief des DHS." In dem Brief heißt es, "dass die Fluggastdaten im Kampf gegen den Terrorismus genutzt werden können, aber auch für eine Reihe nicht näher bezeichneter zusätzlicher Zwecke, besonders für die Sicherung der vitalen Interessen des Datensubjekts oder anderer Personen oder in jeglichen strafrechtlichen Verfahren, oder wenn es sonst vom Gesetz so vorgesehen ist".

Mit Blick auf den Datenschutz bemängeln die Abgeordneten, dass die vom DHS zugesagten Datenschutzregeln nicht klar präzisiert sind, die Daten der europäischen Bürger allein nach US-Gesetzen behandelt werden und die Speicherdauer verlängert wurde. Besorgniserregend ist nach Ansicht des Parlaments schließlich, dass "sensible Daten wie Informationen über die rassische oder ethnische Herkunft, die politische Gesinnung, religiöse oder weltanschauliche Ansichten, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften und auch Daten bezüglich der Gesundheit oder der Sexualität des Individuums dem DHS zur Verfügung gestellt werden und dieses diese Daten in außergewöhnlichen Fällen auch nutzen kann". Laut dem deutschen Liberalen Alexander Alvaro erinnert dieses Vorgehen "bedenklich an ein totalitäres Regime".

Über den Umweg über das DHS können die Daten, kritisiert die Parlamentsresolution, auch an EU-Behörden zurückgelangen. Europol und Eurojust und die Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedsstaaten bekommen auf diese Weise Daten außerhalb üblicher Verfahren. Laut Informationen aus dem Büro der niederländischen D66-Abgeordneten Sophia in't Veld wird im französischen Parlament am heutigen Donnerstag über das Abkommen debattiert, im finnischen Parlament am morgigen Freitag. Das niederländische Parlament ist wie viele andere Parlamente bereits in der Sommerpause, allerdings rechnet in't Veld damit, dass dort im September ein Parlamentsverfahren stattfindet. In Großbritannien diskutiert das Unterhaus zunächst noch das bislang geltende Interimsabkommen. Es ist unwahrscheinlich, dass die wenigen nationalen Parlamente, die über das Fluggastdatenabkommen befragt werden, ihre nationalen Vertreter noch zu einem Nein bei der abschließenden Ratsentscheidung veranlassen: Kein einzelnes nationales Parlament würde dieses Risiko eingehen, fürchten die EU-Parlamentarier.

Siehe zum Abkommen über den Transfer der Passenger Name Recors auch:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)