Datenschützer uneins in Beurteilung des Beschlusses zur Kontenabfrage

Hüter der Privatsphäre äußern ein wenig Lob, tadeln aber auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kontenabrufverfahren, während die FDP das Bankgeheimnis für erledigt hält.

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Hüter der Privatsphäre loben und kritisieren den am heutigen Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Kontenabrufverfahren. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar etwa sieht mit dem Urteil den Datenschutz teilweise gestärkt. Er bezieht sich mit dieser überraschenden Einschätzung vor allem auf die Betonung der Karlsruher Richter, dass gemäß der gesetzlichen Bestimmungen die Abfrage von Kontostammdaten der Bankkunden und sonstiger Verfügungsberechtigter nicht "routinemäßig" oder gar "ins Blaue hinein" erfolgen dürfe. Vor diesem Hintergrund betrachtet der Datenschützer "die Planungen des Bundesfinanzministeriums kritisch, die täglichen Abrufmöglichkeiten von jetzt 100 auf bis zu 5000 Abrufe zu vervielfachen".

Bestätigt sieht Schaar seine Kritik, "dass die gesetzliche Regelung den Kreis der berechtigten Behörden nicht präzise festlegt". Er begrüßte daher, dass der Gesetzgeber beim beanstandeten Paragraph 93 der Abgabenordnung nachbessern muss. Diese Klausel, die auch anderen Behörden außerhalb der Finanzverwaltung in sozialrechtlichen Angelegenheiten die Befugnis zur Erhebung von Kontenstammdaten gebe, gehe zu weit. Gleichzeitig richtete Schaar die Erwartung an den Gesetzgeber, dass dieser vor der nun notwendigen Änderung der gesetzlichen Vorgaben die Erfahrungen mit dem Kontenabruf kritisch überprüfe und daraus die notwendigen Konsequenzen ziehe. Weiter lobte der Datenschützer die Klarstellung des obersten deutschen Gerichts, "dass den Betroffenen grundsätzlich ein Auskunftsrecht zu den Kontenabfragen zusteht". Interessierte Betroffene ermunterte er, davon auch Gebrauch zu machen. Gemeinsam mit seinen Kollegen auf Länderebene will Schaar die Vorgaben sowie die Regelung, dass die Zugriffe "lückenlos" zu protokollieren seien, kontrollieren.

Laut Thilo Weichert, dem Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD), gehört der jetzt veröffentlichte Beschluss dagegen nicht zu den vielen zuvor aus Karlsruhe ergangenen Entscheidungen, in denen die roten Roben das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gestärkt hätten. Verblüffend sei schon, dass das Gericht den Kontostammdaten "keine besondere Persönlichkeitsrelevanz" zuspreche, erklärte Weichert gegenüber heise online. Die Nutzung dieser Informationen stehe immer in Überwachungszusammenhängen und könne daher ­ anders als vom Gericht unterstellt ­ nicht isoliert betrachtet werden. Seine bisherige Rechtsprechung verlasse Karlsruhe auch, "wenn es für die Abfrage dieser Daten den Verdacht eines Beamten ausreichen lässt, ohne dass gesetzliche Verfahrenssicherungen gefordert würden".

Schließlich ist für Weichert nicht nachvollziehbar, "dass das Gericht die bisherigen Transparenzanforderungen für ausreichend erklärt: Es genüge, dass der Betroffene vom Kontodatenabruf erfährt, wenn er durch eine belastende Maßnahme betroffen ist." Praktische Erfahrung sei aber, dass der Ausgeforschte bei einer belastenden Maßnahme regelmäßig eben gerade nicht darüber in Kenntnis gesetzt werde, dass sie auf eine Kontodatenabfrage zurückgeht. Der Kieler Datenschützer hofft daher, "dass es sich bei dieser Entscheidung um einen Ausrutscher handelt und damit nicht eine neue Richtung festgelegt wurde".

Der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix warnte allgemein gegenüber der Netzeitung vor der Gefahr, "dass im Namen des allgemeinen Sicherheitsbedürfnisses die informationelle Selbstbestimmung ausgehebelt wird". Es würde ihn nicht wundern, "wenn beispielsweise nach dem nächsten Terror-Angriff gefordert wird, die Online-Überprüfung nicht auf Kontostammdaten zu beschränken, sondern auf Überweisungsdaten auszudehnen und wie bei einem Fischzug bestimmte Bevölkerungsgruppen überprüft werden". Die Grenze zwischen Abfragen auf konkreten Verdacht und umfassender Rasterfahndung sei "eine dünne Linie, die auf keinen Fall überschritten werden darf". Das Gericht habe einer solchen Grenzüberschreitung aber zunächst einen Riegel vorgeschoben.

Erfahrungsgemäß seien es auf Landesebene vor allem Finanzämter und Sozialbehörden, die von der Kontoabfrage Gebrauch machen, erklärte Dix. "Da wird beispielsweise geprüft, ob Arbeitgeber Sozialabgaben korrekt abgeführt haben. Die Überprüfung durch Arbeitsagenturen ist laut Änderungserlass ausgeschlossen." Die Kontrolle von Sozialgeld- oder Wohngeld-Empfängern sei hingegen erlaubt.

Enttäuscht reagierte der finanzpolitische Sprecher der FDP, Hermann Otto Solms. Seine Partei halte "die weitgehende Beseitigung des Bankgeheimnisses für falsch, erklärte er. "Sie untergräbt das Vertrauen der Bürger in einen fairen Steuerstaat. Ebenso befördert sie die seit Jahren anhaltende Kapitalflucht aus Deutschland." Im Falle einer künftigen Regierungsbeteiligung der Liberalen kündigte Solms an, dass "die Möglichkeit der Kontenabfragen durch die Finanzbehörden zurückgenommen wird". Der FDP-Bundestagsabgeordnete Volker Wissing erachtet die Regelung als "schädlich für den Finanzplatz Deutschland". Mit der 2009 anstehenden Einführung der Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge werde sie zudem überflüssig.

Zumindest verständlich findet der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, das umstrittene Urteil. Das Bundesverfassungsgericht habe zuvor allgemein selbst bessere Kontrollmöglichkeiten der bundesdeutschen Konten verlangt, sagte er dem Berliner Tagesspiegel. Daher "konnte es das Gesetz heute nicht ablehnen". Nach Ondraceks Informationen könnten die Behörden heute technisch bereits bis zu 7500 Kontoabfragen am Tag durchführen, tatsächlich seien es aber rund 6000 am Tag. Dem Bundesdatenschutzbeauftragten dürften diese Zahlen Bauchschmerzen bereiten. (Stefan Krempl) / (pmz)