Bundesverfassungsgericht stärkt Pressefreiheit und Informantenschutz

Das oberste deutsche Gericht hat im Fall "Cicero" entschieden, dass die Durchsuchung von Redaktionsräumen wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat verfassungswidrig war.

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Von
  • Florian Rötzer

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Urteil zum so genannten Cicero-Fall die Durchsuchung der Redaktionsräume von Cicero und die Beschlagnahme von Beweismitteln als rechtswidrig bezeichnet. Die Razzia habe die im Grundgesetz geschützte Pressefreiheit verletzt, insbesondere hätten die Gerichte, die die Untersuchung und Beschlagnahme angeordnet hatten, den "verfassungsrechtlich gebotenen" Informantenschutz nicht ausreichend berücksichtigt.

Am 12. September 2005 hatten Beamte der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes Brandenburg die Büroräume in Potsdam mit der Begründung durchsucht, dass der Autor Bruno Schirra für einen im April 2005 erschienenen Artikel über den mittlerweile getöteten Terroristen al-Sarkawi auch Informationen aus einem als Verschlusssache eingestuften Bericht des Bundeskriminalamtes verwendet habe. Beschlagnahmt wurden Datenträger, von einer Festplatte wurde eine Kopie gemacht. Schirra und dem Chefredakteur von Cicero, Wolfram Weimer, warf man "Beihilfe zum Geheimnisverrat" vor. Mit der Razzia wollte man auf die Spur desjenigen kommen, der den Bericht an den Journalisten weiter gegeben hatte, nachdem die Nachforschungen im BKA im Sande verlaufen waren. Der damalige Bundesinnenminister Schily verteidigte die ansonsten scharf kritisierte Aktion.

Weimer legte gegen die Razzia Verfassungsbeschwerde ein, die mündliche Verhandlung fand bereits im November 2006 statt. Lutz Diwell, Staatssekretär im Justizministerium, meinte damals noch zur Rechtfertigung, dass es keinen Grund gebe, Medien von der "Strafverfolgung der Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses" auszunehmen, während sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zuvor schon davon distanziert hatte und darauf hinwies, dass bei solchen Durchsuchungen im Hinblick auf die Pressefreiheit die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müsse.

Die Verhältnismäßigkeit hat das Bundesverfassungsgericht nun der Razzia abgesprochen: "Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der Presse durch einen Journalisten reicht nicht aus, um einen zu einer Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Erforderlich sind vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer von einem Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat." Damit stärkt das Bundesverfassungsgericht die Pressefreiheit und sichert den Informantenschutz, der für den investigativen Journalismus unabdingbar ist. Das Gericht macht allerdings auch deutlich, dass Journalisten nicht grundsätzlich von der Strafbarkeit ausgeschlossen sind. Wenn aber Durchsuchungen und Beschlagnahmen ausschließlich den Zweck haben, die Identität des Informanten aufzudecken, so sind diese nicht zulässig.

Cicero-Chefredakteur Weimar begrüßte das Urteil: "Dieses Urteil freut mich insbesondere für die Journalisten, die tagtäglich investigativ recherchieren und nun nicht mehr dem ungeschützten Zugriff der Ermittlungsbehörden ausgesetzt sind.“ Auch Journalistenvereinigungen wie der Deutscher Journalistenverband (DJV) erklärten das Urteil zum "Sieg für die Pressefreiheit" und zum "klaren Votum für den Informantenschutz". Die Organisation Reporter ohne Grenzen begrüßt zwar das Urteil ebenfalls, fordert aber weitere Schritte zur Stärkung der Pressefreiheit. Gefordert wird, Journalisten, die Material von Informanten erhalten, prinzipiell nicht zu kriminalisieren. Zudem sollten die Telefone von Journalisten, wie bei anderen Berufsgruppen wie Rechtsanwälten oder Geistlichen, nicht abgehört werden dürfen.

Unklar ist, ob das Urteil auch Auswirkungen auf Blogs oder Podcasts haben wird. Im neuen Staatsvertrag über Rundfunk und Telemedien (RStV) werden traditionelle Medien und Webseiten einander näher gerückt, in dem etwa auch Blogs als Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten gelten können. Damit sind nach der Begründung Angebote gemeint, "die massenkommunikativen Charakter aufweisen und damit als elektronische Presse beschrieben werden". Verlangt wird von solchen Telemedien, "in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden", dass sie den "anerkannten journalistischen Grundsätzen" folgen müssen. Die Frage ist, ob diesen Telemedien neben den Pflichten auch neue Rechte zukommen.

Siehe dazu auch in Telepolis:

(fr)