Union: Technik für heimliche Online-Durchsuchungen einsatzbereit

Die Software für die Ausforschung von Festplatten über das Netz ist laut einem Sprecher der CDU/CSU fertig; die Koalitionsgespräche zu dem Thema sind aber zunächst zum großen Ärger der Konservativen vertagt worden.

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Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl, hat die Technik für verdeckte Online-Durchsuchungen als startklar bezeichnet. Die Software für die Durchführung der heftig umstrittenen Maßnahme existiere bereits und könne auch eingesetzt werden, sagte der CSU-Politiker der Tagesschau. Sicherheitsbehörden würden ihm zufolge dabei heimlich ein Programm auf einen Zielcomputer übertragen, die dort gespeicherten Dateien auf Stichworte hin durchsuchen und die so aufgefundenen Informationen online zurück übertragen. Auf technische Details – wie etwa dieser "Bundestrojaner" auf die PCs der Verdächtigen gelangt und wie er beispielsweise vor Schutzsoftware wie Intrusion Detection Systems oder Antiviren-Software versteckt wird – ging Uhl allerdings nicht ein.

Es sei geplant, die abgezogenen Daten einem Richter vorzulegen, führte Uhl zum geplanten Vorgehen weiter aus. Dieser solle überprüfe, ob höchstpersönliche Informationen enthalten seien. Die Union schlägt somit eine Regelung analog zum so genannten Richterband beim großen Lauschangriff vor, wo die Ermittler auf Drängen der Konservativen ebenfalls erst alle zu erhaltenden Kommunikationsinhalte aufzeichnen und ein Richter dann über ihre Verwertbarkeit entscheiden soll.

Eine Arbeitsgruppe der Innenpolitiker der großen Koalition konnte sich am heutigen Freitag aber nicht auf eine Linie zu der von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagenen Novelle des BKA-Gesetzes einigen. Sie vertagte sich auf Ende August. An der Sitzung hatten auch Vertreter des Innen- und Justizministeriums, des Bundeskriminalamts (BKA) und der Geheimdienste teilgenommen. Während sich die Gruppe dieses Mal vorrangig mit technischen Fragen befasste, sollen am Ende der parlamentarischen Sommerpause rechtliche Fragen erörtert werden.

Innerhalb der SPD laufen die Meinungen zum Ausbau der Netzüberwachung nach wie vor weit auseinander. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, und sein Stellvertreter Michael Hartmann halten Online-Durchsuchungen zur Abwehr terroristischer Gefahren für notwendig. Wiefelspütz möchte aber ebenso wie die Rechtspolitiker der Sozialdemokraten, die sich stärker gegen das Ausspähen von Festplatten von PCs und Speicherplattformen im Netz sperren, vor einer Gesetzesinitiative des Bundes noch die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten.

Der Koalitionsstreit um neue Präventivbefugnisse für das BKA hat sich zugleich weiter aufgeheizt. Die Union lehnte es ab, die Novelle von den Internet-Schnüffeleien abzutrennen, wozu Wiefelspütz geraten hatte. "Die Online-Durchsuchung ist ein untrennbarer Bestandteil der Novellierung des BKA-Gesetzes", erklärte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach laut dpa. Er sprach von einer Hängepartie, die hoffentlich bald beendet werde. Angesichts des Widerspruchs einiger SPD-Politiker warf Uhl dem Koalitionspartner sogar politisch unredliches Verhalten vor: "Ich bin verärgert über die Art, wie die SPD sich dumm stellt."

Uhls Kollegin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, monierte dagegen, dass Wiefelspütz dem Großen Bruder Schäuble im weiteren Kampf gegen die Bürgerrechte zur Seite springe. Der bisherige Widerstand der Genossen gegen die Online-Schnüffelei drohe sich damit als Schaumschlägerei zu erweisen. Die Bedingungen, die Wiefelspütz an eine heimliche Durchsuchung von Computern stellt, seien genau so windelweich wie die bisherigen Regelungen zur Telefonüberwachung. Ein effektiver Datenschutz sei damit nicht gewährleistet. "Richtervorbehalt, Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung, nachträgliche Benachrichtigung der Betroffenen, all das steht bereits in den Gesetzen zur Telekommunikationsüberwachung, wird aber in aller Regel nicht oder nur pro forma eingehalten", konstatiert Jelpke. Richter seien für Einzelfallentscheidungen bereits zu überlastet. Benachrichtigungspflichten würden regelmäßig umgangen und das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre bleibe so auf der Strecke.

Nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes (DRB) ist die Umsetzung des Ansatzes mit dem Richterband und der vergleichbaren Regelung bei Online-Durchsuchungen in der Praxis sehr schwer vorstellbar. Das wäre ein "gigantischer Arbeitsaufwand" und würde ein "deutliches Nachrüsten" der personellen Kapazitäten beim zuständigen Bundesgerichtshof (BGH) erfordern, sagte der DRB-Vorsitzende Christoph Frank. Für die zuständigen Ermittlungsrichter wäre eine solche Aufgabe ein "Vollzeitjob". Der Staatsanwalt gab auch zu Bedenken, dass neben neuen Richtern viele Übersetzer benötigt werden dürften. Angesichts des äußerst komplizierten Verfahrens sei es fraglich, ob die Unionspläne so dem Ziel der Stärkung der Sicherheit dienen würden. Durch den nötigen massiven Aufwand und die Bindung von Kapazitäten könnten Ermittlungen eher behindert werden.

Eine Zusammenfassung der aktuellen Informationen zum "Schäuble-Katalog" und des Stands der Sicherheitsdebatte bringt ein Online-Artikel in c't –Hintergrund:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)