Datenschützer: Anonymität im Netz ein gesetzlich verbrieftes Recht

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte wehrt sich gegen Vorwürfe, mit einem Projekt zum anonymen Surfen Verbrecher zu schützen.

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Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein (ULD) wehrt sich gegen Vorwürfe, mit dem auch vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt AN.ON Verbrecher zu schützen. Harald Lemke, Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie im Range eines Staatssekretärs, hatte am gestrigen Mittwoch auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin AN.ON und das ULD scharf angegriffen. Kinderschänder oder Terroristen müssten nur zu der Landeseinrichtung in Kiel gehen, so Lemkes Kritik, um sich dort "praktische Hilfestellungen zum anonymen Surfen" und zum Verschleiern ihrer Spuren im Netz geben zu lassen. Der von AN.ON betriebene Anonymisierungsdienst JAP leiste einer "unkontrollierbaren Infrastruktur" im Cyberspace Vorschub.

Das ULD zeigt seinerseits nun "große Zweifel" am ausreichenden Informationsstand des Staatssekretärs im hessischen Innenministerium. Es sei "traurig und erschreckend", beklagt ULD-Leiter Thilo Weichert, "dass der E-Government-Beauftragte eines Bundeslandes derart wenig Verständnis für die Internettechnik und für Bürgerrechte, insbesondere für den Datenschutz, zeigt." Denn laut des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten haben Anwendungen im E-Government und auch im E-Commerce nur dann eine Chance auf Akzeptanz bei den Menschen, "wenn diese sich auf die Wahrung ihres Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung bei der Nutzung des Internet verlassen können". Andernfalls würden sich die großen Einsparpotenziale für die Verwaltung sowie die großen Verdienstmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft durch die Online-Transformation nicht realisieren lassen.

Neben dem ULD und dem Bundeswirtschaftsministerium habe diese Bedingung auch der Bundesgesetzgeber anerkannt und dem Internet-Nutzer daher laut Weichert "grundsätzlich ein Recht auf anonyme Internetnutzung" zugestanden. Bestehende Datenschutzgesetze würden Anbieter sogar dazu verpflichten, Dienste -- wo immer möglich -- auch pseudonym oder anonym zur Verfügung zu stellen. Lemke sollte sich daher am geltenden Recht und "an dem von unserem Grundgesetz gewährleisteten Datenschutz orientieren, nicht an irgendwelchen irrealen Kontroll- und Überwachungsphantasien".

Weiter gibt Weichert zu bedenken, dass deutschen Nutzern auch ausländische Anonymisierungsdienste zur Verfügung stehen, die außerhalb der Reichweite der Politik hierzulande lägen. Dem Staatssekretär solle daher "ein unabhängiger Anonymitätsdienstbetreiber lieber sein, dem nicht nur die Bürgerrechte, sondern auch wirksame Kriminalitätsbekämpfung wichtig sind". Das BKA, dem Lemke vor seinem Posten im hessischen Innenministerium angehörte, war 2003 wiederholt gegen JAP vorgegangen. In dem Dienst ist eine grundsätzliche Protokollfunktion eingebaut, deren Datensätze ins Visier der Polizei geraten waren. Richter hatten aber wiederholt das Vorgehen des BKA als rechtswidrig zurückgewiesen.

Weichert fordert Lemke nun zur Einsicht auf, "dass das ULD schon seit Monaten einen intensiven Dialog mit Polizei und Staatsanwaltschaften über den Ausgleich von Datenschutz und Kriminalitätsbekämpfung führt". Der Staatssekretär sei dazu eingeladen. Man werde sich aber weiter "unzweideutig zur Wehr setzen, wenn Möchtegern-Internetpolizisten ohne Anzeichen von Technikverständnis populistisch den Datenschutz als Täterschutz diskreditieren". (Stefan Krempl) / (anw)