EKD-Präses skeptisch über Netz-Anonymität

"Die Anonymität ist eine Verlockung, Hemmungen aufzugeben". Nach den Lynchaufrufen gegen einen 17-Jährigen in Emden plädiert der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche für spezifische Modelle im Umgang mit Klarnamen im Internet.

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Von
  • dpa

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, kritisiert eine vom Internet befeuerte Empörungskultur und sieht die Netz-Anonymität mit Skepsis. "An Skandalen oder dem, was wir dafür halten, an Empörungszyklen und raschen Schuldzuweisungen leiden wir keinen Mangel", monierte Schneider in seiner Osterbotschaft. "Leicht erregbar scheint unsere Gesellschaft zu sein – kaum wird ein Skandal gewittert, entflammt das Entrüstungsfeuer." Über soziale Netzwerke verbreite sich Empörung in Minutenschnelle. "Viel zu viele schließen sich ohne Überprüfung oder Nachdenken an."

Schneider sagte der Münsterschen Zeitung (Samstagsausgabe): "Die Anonymität des Internets ist eine Verlockung, Hemmungen aufzugeben. Sie verleitet dazu, dem destruktiven Potenzial, das in uns allen steckt, völlig freien Lauf zu lassen." Er sprach sich für unterschiedliche Modelle im Umgang mit Klarnamen im Internet aus.

Für Schneider, der auch Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland ist, haben die Lynch-Aufrufe gegen einen 17-Jährigen, der in Emden fälschlich im Mordfall der elfjährigen Lena verdächtigt wurde, das Problem aufgezeigt. "Ich bin auch überzeugt, dass öffentliche Diskussionen im Netz eine andere Qualität bekämen, wenn wir es mit wirklichen Menschen inklusive Klarnamen und nicht nur mit Pseudonymen und Kunstfiguren zu tun hätten», sagte Schneider. Andererseits erkenne er, dass es Angebote wie Selbsthilfeportale gebe, die Anonymität voraussetzen. Schneider: "Wie so häufig wird es also keine pauschale Lösung geben, sondern es braucht für die unterschiedlichen Angebote im Internet verschiedene Modelle." (cp)