Friss und stirb

Als Freiberufler hat man inzwischen eigentlich gar keine Chance mehr für eine Direktbeauftragung. Umso wichtiger wird, was in den Rahmenverträgen steht, die man mit den Vermittlern abschließt. Doch einer der großen deutschlandweiten IT-Vermittler hat einen üblen Passus.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nicolai Josuttis

Im Grunde war alles geklärt. Ich hatte mit dem Fachbereich Inhalt, Umfang und Termine einer Beratung zum Thema Systemintegration geklärt. Blieb nur noch die Beauftragung, die natürlich nur über einen Standard-Vermittler erfolgen konnte, den mein Kunde dann ins Boot holte.

Der entsprechende Vermittler meldete sich auch sofort, und es gab die üblichen Hinweise auf Rahmen- und Einzelverträge sowie die üblichen Diskussionen um Verrechnungssätze, Kundenschutz und Zahlungsziele.

Doch dann kam der Rahmenvertrag. 10 Seiten. Und in diesem gab es folgenden Passus:

§6 Absatz 4: Der Auftragnehmer steht dafür ein, dass durch seine Tätigkeit oder Arbeitsergebnisse oder die von ihm eingesetzten Arbeitsmittel keine IT-Schädlinge (z.[B]. Viren, Dialer, Trojaner, etc.) in den Bereich des Kunden eingeschleppt werden.

Keine Einschränkung, dass dies nur bei fahrlässigem Handeln, bis zu einer Höchstsumme und/oder nur dann gilt, wenn der Kunde täglich Datensicherungen durchführt. Mit anderen Worten: Nach diesem Rahmenvertrag würde ich mit meinem Vermögen haften, wenn ein Virus eingeschleppt wird, selbst wenn ich alle notwendigen Sorgfaltsmaßnahmen (Viren-Scanner etc.) getroffen habe.

Spätestens nach dem raffinierten Einbruch von Viren in die iranischen Atomkraftwerke durch Stuxnet wissen wir aber, dass es keine absolute Sicherheit gibt, vor allem wenn hochbezahlte Profis am Werk sind (siehe dazu z. B. das 69-seitige PDF-Dossier von Symantec). Jede PDF-Datei oder PowerPoint-Datei kann prinzipiell Viren enthalten, die ich auch bei bester Sorgfalt nicht erkennen kann.

Ich habe mich natürlich geweigert, diesen Rahmenvertrag zu unterzeichnen, worauf angeboten wurde, diese Klausel im konkreten Einzelauftrag abzumildern. Ein derartiges Vorgehen mag zur Reduzierung üblicher Kundenschutz- oder anderer unkritischer, aber unpassender Rahmenvertragsklauseln angemessen sein; aber ich war doch etwas erstaunt, dass man von mir erwartete, erst einen Passus zu unterschreiben, der mich in den Ruin treiben kann, um diese generelle Regelung dann für einen Einzelfall zu entkräften.

Ohne irgendein Verständnis für meine Bedenken weigerte sich der Vermittler aber, diesen Passus aus dem Rahmenvertrag herauszunehmen: "Wir haben einen derartigen Rahmenvertrag mit Tausenden von Freiberuflern geschlossen, und bisher hat sich noch keiner beschwert."

Offensichtlich war es für den Vermittler nicht das Gleiche, den Passus herauszunehmen oder erst unterschreiben zu lassen, um ihn dann außer Kraft zu setzen. Das war dann erst recht für mich ein Grund, nicht zu unterschreiben.

Die Sache eskalierte dann, der Vermittler bestand immer auf einer Unterschrift unter dem unveränderten Rahmenvertrag: "Wo kommen wir denn da hin, wenn wir den Rahmenvertrag mit jedem einzeln aushandeln?" Nun, ich habe bei anderen Firmen durchaus schon Rahmenverträge in beiderseitigem Einvernehmen korrigieren können. Hier geht es also nicht nur um eine rechtlich fragwürdige Form, Freiberuflern den Schwarzen Peter zuzuschieben, sondern auch um die Frage, ob wir über ein partnerschaftliches Miteinander oder über einen Vermittlungsroboter reden, der nach dem Motto "friss oder stirb" handelt. Und nicht nur das; man gab mir das deutliche Gefühl, dass man mich als Querulant betrachtet, der grundlos Selbstverständlichkeiten in Frage stellt.

Der Vermittler hat sich am Ende über den renitenten Freiberufler sogar massiv beim Kunden beschwert, wodurch der Fachbereich noch in Rechtfertigungsdruck geriet (wohlgemerkt ging es um die Abwicklung eines Auftrags, den ich direkt mit dem Kunden abgemacht hatte).

Der Kunde hat mich dann allerdings einfach über einen anderen Vermittler, GULP, beauftragt. Das war kein Problem, denn dort gibt es keinen derartigen Passus im Rahmenvertrag. Und auch sonst habe ich so etwas noch nie gesehen.

Schaut also mal in eure Rahmenverträge und kündigt diese, bevor es zu spät ist. Mit seinem Vermögen für Dinge zu haften, die man nicht beeinflussen kann, ist kein Spaß. ()