Schweiz protestiert gegen Zensur beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft

Das Schweizer Außenministerium legte formell Protest bei der tunesischen Regierung ein; der Bundesrat verlangt von der UNO, Konferenzen nur noch in Ländern mit Meinungsfreiheit zu veranstalten.

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Von
  • Tom Sperlich

Das Schweizer Außenministerium, das Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), bestellte am gestrigen Mittwoch den tunesischen Botschafter ein: Das Außenministerium protestierte formell bei der tunesischen Regierung gegen die Zensur der Rede des Schweizer Bundespräsidenten Samuel Schmid bei der Eröffnung des Weltgipfels der Informationsgesellschaft (WSIS). Wie EDA-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat außerdem mitteilte, bat die Schweizer Regierung den Leiter der Schweizer WSIS-Delegation, an die Internationale Fernmeldeunion (ITU) zu schreiben, um gegen die verschiedenen Behinderungen der journalistischen Arbeit auf dem Gipfel in Tunis zu protestieren.

Schmid war als Staatsoberhaupt der Schweiz, die den ersten WSIS 2003 in Genf veranstaltet hatte, Ehrengast beim zweiten UN-Weltgipfel in Tunis in der vergangenen Woche. In seiner Rede hatte Schmid die Menschenrechtssituation in Tunesien mit scharfen Worten kritisiert. Er bezog sich auf einige Vorfälle, die rund um den WSIS in Tunis vorkamen. Journalisten wurden behindert und gar angegriffen, verschiedene, mit dem WSIS assoziierte Websites, darunter auch die Site des Schweizer Radio International waren teilweise nicht abrufbar.

Schmid lobte in seiner Rede unter anderem Internet und Handy/SMS als Segen für die Menschheit. "Die neuen Technologien können aber auch exakt das Gegenteil von dem bewirken, was man von ihnen erwartet. Beispielsweise können sie Staaten dazu führen, ihre Bürger zu überwachen ohne Respekt auf die Privatsphäre und die demokratischen Rechte der Leute", sagte Schmid. Als dem tunesischen Fernsehen die zahlreichen kritischen Äußerungen Schmids zuviel wurden, stellte man einfach die Direktübertragung seiner Rede ein. Auch die Saalübersetzungen im Kongresszentrum wurden bei Schmids Rede unterbrochen.

Auch Bundesrat Moritz Leuenberger, Chef des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wurde an einer Pressekonferenz auf dem WSIS-Gipfel in Tunis bei seiner Meinungsäußerung behindert. Leuenberger sagte dem Schweizer Fernsehen: "Tatsache ist, dass die Teilnehmer an der Medienkonferenz offenbar keine Journalisten waren, sondern Agenten, die sich über die Rede von Bundespräsident Schmid ereifert haben, die Schweiz auch angegriffen haben als Land des Hortes schmutziger Gelder." Ein Protestschrieben deponiert die Schweizer Regierung, der Bundesrat, auch bei den Vereinten Nationen, wie Leuenberger erklärte. In ihm verlangt der Bundesrat von der UNO künftig Konferenzen nur noch in Làndern zu veranstalten, in denen die Meinungsfreiheit garantiert ist.

Zum zweiten UN-Weltgipfel siehe auch:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Tom Sperlich) / (jk)