EU und Content-Industrie wollen Kampf gegen illegale Kopien verstärken

Im Rahmen der Brüsseler "Film Online"-Strategie soll ein Maßnahmenpaket zur Eindämmung der "Piraterie" erarbeitet werden; Verbraucherschützer fühlen sich ausgegrenzt und sehen das öffentliche Interesse nicht gewahrt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 253 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Im Rahmen der Strategie "Film Online" erarbeitet die EU-Kommission gegenwärtig gemeinsam mit der Content-Industrie und großen Internet-Anbietern ein Maßnahmenpaket zur Eindämmung der so genannten Piraterie im Netz. Den offiziellen Startschuss für die Initiative gab die Kommissarin für die Informationsgesellschaft, Viviane Reding, bereits Mitte Mai beim Filmfestival in Cannes im Rahmen eines Treffens mit Medien- und Kulturpolitikern, Filmemachern und Branchengrößen. Ziel der Kooperation ist die Erarbeitung einer Aufklärungskampagne für Verbraucher und Politiker sowie eine bessere Zusammenarbeit mit den Providern beim Kampf gegen Raubkopierer. Lautstarke Proteste gegen die Art der Ausarbeitung der geplanten Maßnahmen kommen nun aber vom Brüsseler Dachverband der Verbraucherschutzorganisationen BEUC: Er fühlt sich ausgegrenzt von den Leitungstreffen der Strategiegruppe und fürchtet um das Wahrung des öffentlichen Interesses bei der Initiative der Kommission.

"Die Angelegenheiten, die in dieser Gruppe behandelt werden, sind von größter Bedeutung für den Verbraucherschutz in der digitalen Umwelt, auf Grund ihrer Auswirkungen sowohl auf das wirtschaftliche Interesse als auch auf die Privatsphäre", hat sich BEUC-Direktor Jim Murray in einem besorgten Brief am gestrigen Donnerstag an Reding gewendet. Es könne nicht angehen, dass die als "Sherpa"-Einheit bezeichnete Führungsmannschaft bei "Film Online" sich nur aus Vertretern der europäischen Musik- und der amerikanischen Filmindustrie sowie großer Provider rekrutiere. Repräsentanten öffentlicher Interessen würden damit komplett außen vor gehalten. Es sehe so aus, schreibt Murray weiter, dass die Kommission mit dieser Verfahrensweise gegen ihre Selbstverpflichtung verstoße, möglichst alle Interessensgruppen bei derart wichtigen Fragen einzubeziehen. Von den angekündigten besseren Konsultations- und Regulierungsversprechen bleibe so nichts mehr übrig.

Besonders besorgt zeigen sich die Verbraucherschützer, weil im Rahmen von "Film Online" anscheinend auch eine Charta mit herausragenden Beispielen für die Bekämpfung unautorisierten Filesharings verabschiedet werden soll. Insbesondere die öffentlich eher zurückhaltend auftretende Creative Media Business Alliance (CMBA), der Firmen und Verbände wie Bertelsmann, Disney, EMI, IFPI, Sony Pictures, Sony BMG, Time Warner, Universal und Warner Music angehören, drängt die Kommission momentan massiv zur Verabschiedung entsprechender Leitsätze. Deren Kern soll der Aufbau eines abgestuften Reaktionssystems sein, in dem Netzanbieter zunächst bei auffälligem Download-Verhalten Warnhinweise an Kunden verschicken. Endstufe ist die Kündigung des Anschlusses und das Kappen der Internetverbindung, wenn sich Nutzer trotzdem weiter in Tauschbörsen tummeln und dort an sich kopiergeschützte Materialen saugen.

Ein ähnliches System wird in Frankreich bereits praktiziert, wo automatisch nach Urheberrechtsverletzungen in Peer-2-Peer-Netzen gefahndet wird. Provider sind angehalten, anhand der herausgefischten IP-Adressen an dazugehörige E-Mail-Accounts "pädagogische" Nachrichten der Rechtehalter zu senden. Zusätzlich können die Verbände der Entertainment-Industrie gegebenenfalls straf- oder zivilrechtliche Schritte einleiten. Die französische Datenschutzbehörde CNIL hat diese Verfahren allerdings als unverhältnismäßig verdammt.

Zu den weiteren Plänen von "Film Online" gehört die Erarbeitung neuer Formate und Zugangsformen zu Inhalten. Dabei soll insbesondere mit Hilfe des digitalen Rechtekontrollmanagements (DRM) die "Verfügbarkeit" aktuellen Filmmaterials im Internet sichergestellt werden. BEUC hat in diesem Zusammenhang kürzlich eine eigene Online-Kampagne für die Aufklärung der Nutzer über ihre noch gewährten digitalen Verbraucherrechte etwa zur Privatkopie sowie über die Einschränkungen durch DRM ins Leben gerufen. Der Dachverband bedauert daher umso mehr, dass er bislang allein zu allgemeinen Vorbereitungstreffen rund um "Film Online" eingeladen worden sei, während die eigentlichen Pläne bereits hinter verschlossenen Türen konkretisiert würden. (Stefan Krempl) / (jk)