Berufungsgericht legt Intranet-Klausel für Lehrer restriktiv aus

Das OLG Stuttgart hat im Streit zwischen dem Alfred Kröner Verlag und der Fernuni Hagen eine Entscheidung der niederen Instanz zurückgewiesen, wonach Bildungseinrichtungen bis zu 10 Prozent geschützter Werke online stellen durften.

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Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat im Streit über die sogenannte Intranet-Klausel im Urheberrechtsgesetz zwischen dem Alfred Kröner Verlag und der Fernuniversität Hagen entschieden, dass Bildungseinrichtungen ihren Schülern und Studenten nicht generell bis zu 10 Prozent eines geschützten Werkes online zur Verfügung stellen dürfen. Damit hat das OLG die Entscheidung der vorigen Instanz zurückgewiesen. Es sei eine "am Einzelfall orientierte Sichtweise erforderlich", um den vom Gesetzgeber zur Intranet-Veröffentlichung vorgesehenen "kleinen Teil" von Lehrmaterialien zu bestimmen, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Urteil (PDF-Datei, Az.: 4 U 171/11). Eine Prozentgröße anzugeben, könne dazu führen, dass "wesentliche Kernteile eines Werks öffentlich zugänglich gemacht werden" könnten.

Der Stuttgarter Verlag hatte die Fernuni verklagt, weil diese 91 von 476 Textseiten aus dem Lehrbuch "Meilensteine der Psychologie" in einem "elektronischen Semesterapparat" kostenfrei zur Verfügung stellte. Er wollte erreichen, dass die Hochschule insgesamt nur drei Seiten aus dem Werk anbieten dürfe. Das OLG folgte diesem Antrag nun, während die Uni nach Ansicht des Landgerichts 48 Seiten ohne Möglichkeit der Speicherung und drei Seiten zum Download online hätte anbieten dürfen.

Die Berufungsinstanz führt dazu aus, die Psychologiegeschichte werde anhand einzelner Personen abgehandelt. Sollten ganze Kapitel veröffentlicht werden, sei es für die Studie nicht mehr erforderlich, den Band anzuschaffen. Dies widerspreche dem Verwertungsinteresse des Rechteinhabers. Einzelne Beiträge könnten so nicht als "Werke geringem Umfangs" angesehen werden. Die Praxis diene auch nicht der "Veranschaulichung im Unterricht", die der Gesetzgeber als zusätzliche Bedingung gesetzt habe.

Das OLG korrigierte ebenso die Auffassung der Erstinstanz, dass lediglich die Textseiten als Bemessunsgrundlage dienen sollten. Auch Inhaltsverzeichnis, Stichwortregister oder Literaturverzeichnis seien für Studenten sinnvoll, weil sie damit vertiefen und weiter recherchieren könnten.

Die Berufungsrichter untersagten es der Fernuni, über die drei Seiten hinausgehende Teile des Werks zu verbreiten, sofern diese herunterladbar, abrufbar oder ausdruckbar seien. Die Möglichkeit, beim Bundesgerichtshof in Revision zu gehen, hat das OLG zugelassen.

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels, der den Kläger in dem "Musterverfahren" unterstützte, begrüßte, dass im Berufungsverfahren das bereits zuvor ausgesprochene Verbot erweitert worden sei. Es werde höchste Zeit, dass der § 52a Urheberrechtsgesetz Ende des Jahres auslaufe und hoffentlich nicht erneut von der Politik verlängert werde. Die Vorschrift schaffe den Hochschulen nur Probleme, meint der Börsenverein. Sie habe Professoren und Dozenten zu Urheberrechtsverletzungen verleitet, statt gemeinsam mit Autoren, Verlagen und Verwertungsgesellschaften umfassende Lizenzlösungen für elektronische Semesterapparate und intranetgestütztes Unterrichten und Forschen anzubieten. (anw)