"Heise versus Musikindustrie" wird neu aufgerollt

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die von Heise eingelegte Beschwerde aus formellen Gründen abgewiesen hat, strebt der Verlag nun die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens an.

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Von
  • Holger Bleich

Der Rechtsstreit zwischen großen Unternehmen der Musikindustrie und dem Heise Zeitschriften Verlag wird von Grund auf neu aufgerollt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die von Heise eingelegte Beschwerde (PDF) aus formellen Gründen abgewiesen hat, strebt der Verlag nun die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens an. Bisher war nur im Eilverfahren entschieden worden.

Dass der eröffnete Rechtsweg bisher nicht erschöpft war, führte dazu, dass das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde mit Beschluss vom 3. Januar 2007 als unzulässig zurückwies. Zwar ist es grundsätzlich auch möglich, ausnahmsweise schon nach Abschluss des Verfügungsverfahrens eine Verfassungsbeschwerde zu erheben. Dieses setzt jedoch voraus, dass erneute Verfahren vor dem gleichen Landgericht sowie dem gleichen Oberlandesgericht für den Betroffenen unzumutbar sind. Dies ist der Fall, wenn etwa die Durchführung des Verfahrens von vornherein und offensichtlich aussichtslos erscheinen muss, oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen und rechtlichen Klärung abhängt.

Nach der umfassend begründeten Ansicht des Heise-Verlags lagen diese Voraussetzungen vor, da von einer erneuten Anrufung derselben Gerichte in derselben Konstellation keine anderen Entscheidungen zu erwarten gewesen wären und diese Verfahren zudem Monate oder Jahre gedauert hätten. Dieses sahen die Richter des BVerfG jedoch anders. Ihrer Auffassung nach sind sehr wohl noch Fragen offen, die mit Hilfe der weiter reichenden Beweismittel des Hauptsacheverfahrens geklärt werden müssten.

So sei insbesondere noch einmal zu untersuchen, ob die Musikindustrie tatsächlich den Nachweis erbringen könne, dass der Heise-Verlag positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verhaltens von Slysoft hatte. Diese vom Verlag bestrittene Behauptung sei die Kernvoraussetzung für die Störerverantwortlichkeit, auf der das Urteil des OLG München basiert. Ebenfalls noch einmal überprüft werden müsse etwa die Fragestellung, wie die Verantwortung der Presse für in eine redaktionelle Berichterstattung eingebundene Hyperlinks nach den Grundsätzen der presserechtlichen Verantwortlichkeit zu beurteilen sei.

Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts hat sich der Heise Zeitschriften Verlag nunmehr entschieden, das Hauptsacheverfahren einzuleiten, um die Sache einer endgültigen Klärung zuzuführen. Beim Landgericht München wurde dazu ein Antrag nach Paragraf 926 ZPO eingereicht, mit dem die Vertreter der Musikindustrie zur Klageerhebung aufgefordert werden. Käme die Gegenseite dieser Aufforderung nicht nach, würde das gegen den Heise-Verlag gerichtete Urteil aufgehoben.

Acht große Unternehmen aus der Musikindustrie hatten das Link-Verbot erwirkt, nachdem heise online in einem News-Bericht im Zusammenhang mit der kritischen Würdigung von Werbeaussagen des Herstellers von AnyDVD einen Link auf dessen Website setzte. Die Musikindustrie stützt ihren Verbotsanspruch auf den neuen und umstrittenen Paragrafen 95a Absatz 3 des Urheberrechtsgesetzes, der nach Ansicht des Verlags allerdings nicht als Begründung für die Einschränkung von Grundrechten herhalten kann.

"Die mit der Münchener Entscheidung festgeschriebene Haftung für Hyperlinks behindert die Berichterstattung Tag für Tag. Wir hatten deshalb auf eine schnelle verfassungsrechtliche Klärung gehofft", kommentierte der Chefredakteur von heise online, Christian Persson. "Nun müssen wir leider den längeren Weg gehen, denn diese Einschränkung der Pressefreiheit kann nicht hingenommen werden."

Zum bisherigen Verlauf des Verfahrens siehe:

(hob)