Schwedische Piratenpartei startet Anonymisierungsdienst

Die unkonventionelle politische Bewegung will mit einem kommerziellen VPN-Angebot ein "Darknet" errichten und damit nicht nur unbeobachtetes Filesharing, sondern auch die freie Meinungsäußerung befördern.

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Die schwedische Piratenpartei will mit einem kommerziellen VPN-Angebot (Virtual Private Network) ein "Darknet" errichten. Dadurch sollen Surfer nicht nur unbeobachtet Tauschbörsen nutzen können. Vielmehr liegt es der unkonventionellen politischen Bewegung auch am Herzen, mit dem Anonymisierungsdienst die freie Meinungsäußerung im Netz zu befördern. "Es gibt viele legitime Gründe, warum man im Internet vollständig anonym sein will", erläutert der Vorsitzende der Piratpartiet, Rickard Falkvinge. So sei etwa das Recht zum Austausch privater Informationen fundamental für eine demokratische Gesellschaft. Ohne einen "sicheren und bequemen Weg, das Internet anonym zu nutzen", sei dieses Anrecht aber "null und nichtig".

Die konkrete technische Abwicklung des Dienstes, der mit fünf Euro im Monat zu Buche schlägt, hat die schwedische Firma Relakks übernommen. Diese bewirbt das international verfügbare Angebot mit dem Hinweis, "freier und stärker relaxed" surfen zu können. Generell wolle man die Sicherheit und die Integrität des Informationsaustauschs im Sinne der alten schwedischen Tradition zum Schutz der Privatsphäre gewährleisten. Das Unternehmen stattet jeden Nutzer des Dienstes mit einer neutralen, in Schweden registrierten IP-Adresse aus und stellt eine mit 128 Bit verschlüsselte Verbindung zum eigentlichen Zugangsanbieter zur Verfügung. Auf diesem Weg soll im Dunkeln bleiben, welche Applikationen ein Nutzer verwendet, mit wem er was kommuniziert oder welche Webseiten er aufsucht.

Zur Erleichterung der Verfolgung schwerer Verbrechen ist Relakks nach eigenen Angaben allerdings verpflichtet, zumindest die bei der Anmeldung zu dem Dienst gesammelten Nutzerinformationen an die schwedischen Behörden zu übergeben. Sollten einem kriminellen Nutzer über zwei Jahre Gefängnis drohen, wollen die Schweden auch Verbindungsdaten herausgeben. Laut der Piratenpartei hat aber generell das "Filesharing von Musik, Filmen und anderen Kulturformen bei der Überwachung von Internetadressen die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen". Hier würde der Unterhaltungsindustrie, die Nutzer "aggressiv" mit Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen überzogen habe, nun ein Riegel beim Ausspionieren der Surfer vorgeschoben.

Neben dem Copyright stehen laut der Piratenpartei mit der aufkommenden Überwachungsgesellschaft aber noch andere Werte auf dem Spiel: "Der einzige Weg, um die heutigen unausbalancierten Urheberrechtsgesetze durchzusetzen, besteht in der Kontrolle jeglicher privater Internetkommunikation", fürchtet Falkvinge. Bevor seine Partei in der Lage sei, einen besseren Datenschutz gesetzlich zu verankern, habe sie eine moralische Verpflichtung, Lösungen zum technischen Schutz der Privatsphäre zu offerieren. Die Piratenpartei und ihr Servicepartner sind allerdings nicht die einzigen Anbieter vergleichbarer Anonymisierungsdienste. In Deutschland etwa steht mit AN.ON schon seit Jahren ein entsprechendes Projekt zur Verfügung, das von Politikern und Ermittlungsbehörden allerdings immer wieder argwöhnisch beäugt und belangt wird. Dazu kommen zahlreiche Anbieter kommerzieller VPN-Softwarelösungen.

Für die im Januar ins Leben gerufene schwedische Piratenpartei geht es mit dem neuen Dienst auch um den Wahlkampf, da in ihrer Heimat im September Parlamentswahlen anstehen. Die Vereinigung hat bereits über 7700 Mitglieder und damit etwas mehr offizielle Unterstützer als die schwedischen Grünen. Statistiken zufolge gibt es in Schweden 1,2 Millionen Tauschbörsennutzer – ein politisches Potenzial, das sich die Piratenpartei nicht entgehen lassen will. Zumal ihre Saat auch in anderen Ländern Früchte trägt, wie etwa die jüngst erfolgte Gründung der Piraten Partei Österreichs (PPÖ) und die Vorbereitungen zum Start einer ähnlichen Kraft in Deutschland zeigen.

Noch arbeiten die Piratenparteien aber an ihrem Profil. "Auf jeden Fall müssen wir aufpassen, dass man unsere Bewegung nicht als 'verpickelte Teenager, die alles umsonst wollen', abstempelt", betonte Florian Hufsky, Bundessprecher der PPÖ, jüngst in einem Interview. Der Kampf für die Privatkopie sei nur ein Teil der Themen, die man besetzen wolle. So seien die "klassischen" Parteien etwa dem Aspekt der fortschreitenden Big-Brother-Gesellschaft beinahe hilflos ausgeliefert, während seine Vereinigung den Menschen das Recht auf Privatsphäre zurückbringe, meinte Hufsky.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)