Bundesregierung rüstet weiter für die Vorratsdatenspeicherung

Eine Umfrage soll die Ansichten von Netzbetreibern zur EU-weiten Einführung von Mindestspeicherfristen für Telekommunikationsverkehrsdaten eruieren; in Brüssel wachsen derweil rechtlichen Zweifel an den Vorhaben zur Vorratsdatenspeicherung.

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Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) hat unter Telekomunikationsanbietern im Bereich Fest- und Mobilnetz sowie unter Internetprovidern eine Umfrage zum heftig umstrittenen Thema der Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten, die bei allen Formen der Telekommunikation anfallen, gestartet. "Die Bundesregierung benötigt vor weiteren Beratungen auf EU-Ebene eine Abschätzung über die den Telekommunikationsunternehmen für die Umsetzung dieser Anforderungen entstehenden Aufwände", heißt es im Anschreiben der Sondierung. Eine Vorentscheidung über die Einführung derartiger Pflichten sei damit nicht verbunden, stellt die vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Behörde klar. Eine Teilnahme ist bis zum 1. Mai möglich.

In dem Fragebogen, den der Chaos Computer Club auf seiner Website veröffentlich hat (PDF), will die RegTP unter anderem wissen, ob die Firmen bereits ein System zur Speicherung von Verkehrsdaten in Betrieb haben. Insbesondere geht es dabei auch um die Abschätzung der Kosten, die eine Aufrüstung vorhandener oder der Aufbau neuer Speicherinfrastrukturen verschlingen würde. Ferner möchte die Regierung wissen, ob die Ablage und Übermittlung der Daten in bestimmten Formaten und Diensten -- via E-Mail, Fax oder Postversand -- die Kosten drücken könnte.

Dabei geht man in Berlin davon aus, dass Auskunftsersuchen nur zu den üblichen Geschäftszeiten, die Antworten aber "grundsätzlich unverzüglich erfolgen" sollen. Genauere technische Anforderungen oder Vorgaben für die Antwortzeiten werde es aber nicht geben. Auskünfte sollen dabei auch über die von den Anbietern besonders gefürchtete "Zielwahlsuche" erteilt werden, bei denen jegliche Anrufe, die eine bestimmte Nummer erreichen, aus der vollständigen Datenbank der gespeicherten Verbindungen herausgefischt werden müssen. Bei dieser Form der "Rasterfahndung" geraten zwangsweise auch viele Adressen unverdächtiger Personen ins Visier der Ermittler. Ob die Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung und ihrer Nutzungsmöglichkeiten überhaupt verhältnismäßig oder verfassungsgemäß ist, thematisiert der Fragebogen nicht.

Als allgemeine Grundlage legt die Regulierungsbehörde die Liste der Daten zu Grunde, auf die sich deutsche Telekomgrößen mit den Strafverfolgern bei Gesprächen mit dem Bundesministerien für Justiz und Inneres Ende Februar zur Empörung von Konkurrenten, Datenschützern und Bundestagspolitikern hinter verschlossenen Türen verständigt hatten. Für ein halbes Jahr sollen die Unternehmen demnach IP-Adressen und Login-Daten, Verbindungsdaten bei einem Festnetzgespräch sowie im Mobilfunkbereich überdies die Standortkennung sowie "gegebenenfalls Kartennummer (IMSI) oder Kennung der Endeinrichtung (IMEI)" vorhalten.

Die in Brüssel momentan diskutierten Papiere gehen aber deutlich darüber hinaus, insbesondere was die angeforderten Daten betrifft. Es geht um sämtliche Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen. Zudem soll die "normale" Speicherfrist mindestens ein Jahr betragen. Die Verhandlungen in Brüssel verzögern sich momentan aber, weil sich die Mitgliedsstaaten über zahlreiche prinzipielle Fragen der Maßnahme noch nicht einig sind.

Wie Statewatch betont, haben inzwischen auch die Rechtsdienste sowohl des EU-Rates als auch der EU-Kommission die juristische Basis des geplanten Rahmenbeschlusses des Ministergremiums angezweifelt. Wie der Koordinator der Vorratsdatenfrage im EU-Parlament, Alexander Alvaro, sind sie zu der Auffassung gekommen, dass statt dem Rat hauptsächlich die Binnenmarktkommission über die Datenspeicherung entscheiden sollte. Diese hat den Mitgliedsstaaten allerdings bereits im Rahmen der 2002 verabschiedeten Richtlinie zur Verarbeitung personenbezogener Daten die Möglichkeit eingeräumt, ihre TK-Anbieter zu einer Vorratsdatenspeicherung zu verpflichten. Tony Bunyan von Statewatch fordert daher, dass der neue Vorstoß aus Brüssel gänzlich zurückgezogen werden sollte. Seiner Ansicht nach haben die Strafverfolgungsbehörden bereits alle Befugnisse, die sie brauchen. Andererseits müssten die Nutzer bald ihre eigene Überwachung durch die Privatwirtschaft im Staatsauftrag bezahlen. (Stefan Krempl) / (jk)