EU-Generalanwältin: Provider müssen Kundendaten in Zivilverfahren nicht aushändigen

In einem Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof über die Verbreitung von Musik via Filesharing plädiert die Generalanwältin dafür, dass Provider Daten verdächtigter Kunden nicht herausgeben müssen.

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Juliane Kokott, Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, hat in einem Verfahren um Musik-Filesharing empfohlen, die Praxis der Übergabe von Kundendaten von Internet-Providern an Privatunternehmen in Zivilverfahren nicht zuzulassen. In dem betreffenden Rechtsstreit geht es um das Begehren des Musikproduzentenverbands Productores de Músicade España (Promusicae) gegen den Provider Telefonica, Daten von Nutzern auszuhändigen, die Musikdateien über die Tauschbörse KaZaa verbreitet haben sollen. Kokott schreibt in ihrem Schlussantrag, dass die EU-Datenschutzbestimmungen "die Weitergabe von personengebundenen Verkehrsdaten nur an die zuständigen staatlichen Stellen erlauben, nicht aber eine direkte Weitergabe an die Inhaber von Urheberrechten, welche die Verletzung ihrer Rechte zivilrechtlich verfolgen möchten".

Promusicae hatte angegeben, IP-Adressen identifiziert zu haben, die zu bestimmten Zeiten zum Filesharing von Musikdateien genutzt worden seien, für die die Urheber- und Lizenzrechte bei ihren Mitgliedern liegen. Um gegen die Nutzer vorzugehen, verlangt Promusicae vom Zugangsanbieter Telefonica Informationen darüber, welchen Nutzern zu den von ihr angegebenen Zeiten die IP-Adressen zugewiesen waren. Das Gericht Juzgado de lo mercantil no. 5 in Madrid hatte zunächst Telefonica dazu aufgefordert, die gewünschten Informationen herauszugeben. Diesem widersprach der Provider mit Hinweis darauf, dass er nur im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung Auskunft über Daten erteilen dürfe oder wenn es zum Schutz der öffentlichen Sicherheit erforderlich oder die nationale Sicherheit gefährdet sei.

Kokott legt dar, dass eine weite Auslegung des Begriffs des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen den Schutz personenbezogener Verkehrsdaten, aber auch den Schutz des Kommunikationsgeheimnisses weitgehend entleeren würde. Um wirksam überprüfen zu können, ob elektronische Kommunikationssysteme zu unzulässigen Zwecken genutzt werden, müsste man die gesamte Kommunikation speichern und verarbeiten. "Der 'gläserne' Bürger wäre damit Realität", meint Kokott.

Weiter erläutert die Generalanwältin, dass der Schutz von Urheberrechten ein "Grundinteresse der Gesellschaft" sei. Rechtswidriges Filesharing gefährde auch tatsächlich den Schutz von Urheberrechten. Es sei allerdings nicht sicher, dass privates Filesharing, insbesondere wenn damit kein Profit erwirtschaftet werde, den Schutz von Urheberrechten derart schwer gefährde, um eine Beschränkung von Grundrechten zu rechtfertigen. "Inwieweit privates Filesharing einen echten Schaden verursacht, ist nämlich umstritten", schreibt die Generalanwältin. Die Entscheidung darüber solle dem Gesetzgeber und dem Europäischen Gerichtshof überlassen bleiben.

Auch ließe die IP-Adresse nicht unbedingt den Schluss zu, dass auch der jeweilige Anschlussinhaber Filesharing betrieben hat, meint Kokott. Das könne sogar ohne sein Wissen geschehen, wenn er beispielsweise ein unzureichend gesichertes lokales Funknetz betreibt oder wenn sein Rechner von Dritten über das Internet übernommen wurde. Beobachter vermuten, dass das EU-Gericht der Empfehlung der Generalanwältin folgen wird. (anw)