ODIN soll die Werbe-Banner retten

Weil Apple die Identifizierung von iPhones mittels Gerätenummern gestoppt hat, schlägt ein Konsortium von Werbevermarktern eine Lösung vor, die zugleich den Datenschutz respektieren und ein Nutzer-Profiling ermöglichen soll.

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Von
  • Tom Simonite

Weil Apple die Identifizierung von iPhones mittels Gerätenummern gestoppt hat, schlägt ein Konsortium von Werbevermarktern eine Lösung vor, die zugleich den Datenschutz respektieren und ein Nutzer-Profiling ermöglichen soll.

Kostenlose Apps für Smartphones gibt es zuhauf, und sie sind beliebt, selbst wenn sie über eingeblendete Werbung finanziert werden. Was viele Smartphone-Nutzer aber nicht bedenken: Werbenetzwerke werten die Nutzung vieler dieser Apps akribisch aus, um Anzeigen zielgenauer schalten zu können. Vor kurzem hat Apple diese Praxis eingeschränkt, so dass sich die Werbebranche nach alternativen Wegen umsehen muss, um ihre Banner an den Mann zu bringen.

Ein Konsortium von Online-Werbefirmen hat nun einen neuen technischen Weg vorgeschlagen, um das Profiling der Nutzer von kostenlosen Apps weiterführen zu können. Das Verfahren respektiere die Privatsphäre, betont das Konsortium. Nutzer könnten über ein so genanntes Opt-out die Analyse ihres Online-Verhaltens abstellen. Der Opt-out-Mechanismus orientiert sich an den gängigen Verfahren im Web, mit dem die Analyse aufgerufener Webseiten gestoppt werden kann.

Bislang erfassten mobile Werbebanner auf iPhones und iPads den „Unique Device Identifier“ (UDID) eines Nutzers. Diese unverwechselbare Kennnummer teilt Hersteller Apple jedem Gerät zu. Mit Hilfe des UDID können Apps inviduelle Einstellungen eines Nutzers speichern. Vergleichen Werbevermarkter die UDIDs verschiedener Apps, in denen sie Anzeigen platzieren, können sie zum einen herausfinden, wieviele Menschen eine Kampagne auf dem Display gesehen haben. Zum anderen können sie eine Datenbank anlegen, wer unter einer bestimmten UDID bereits welches Banner gesehen hat, um Wiederholungen zu vermeiden. Dritte Möglichkeit: Aus der Kombination von Apps, die auf einem Gerät aufgerufen werden, lässt sich ein Profil des Nutzers einer Zielgruppe für bestimmte Werbung erstellen.

Apple hatte bereits Ende 2011 angekündigt, diesen Gebrauch der UDIDs zu beenden. Im März lehnte Apple dann erstmals Apps ab, die nicht aktiv einen Nutzer um Erlaubnis fragen, dessen Geräte-UDID an Werbevermarkter weiterzugeben.

Die Mobilwerbungsfirma Velti und sieben andere Unternehmen wollen nun statt des UDID eine andere Kennung verwenden, „ODIN“ genannt (für "Open Device Identification Number"). Die ODIN basiert auf der MAC-Adresse eines Smartphones, mit der Funkchips für drahtlose Internet-Verbindungen gekennzeichnet sind. Weil die ODIN eine kryptografische Hash-Funktion der MAC-Adresse sei, könne man über sie nicht mehr auf die Identität eines Smartphone-Nutzers zurückschließen, sagt Krishna Subramanian von Velti. Diese Argumentation dürfte nicht jeden überzeugen, denn auch als Hash-Darstellung ist eine ODIN nach wie vor mit einem konkreten Gerät verbunden.

Subramanian ist aber überzeugt davon, dass Nutzer von dieser Tracking-Lösung ebenfalls profitieren. „Für zielgerichtete Werbenetzwerke ist dies eine wichtige Komponente“, sagt Subramanian. Mit den Werbe-Einnahmen würde schließlich die Entwicklung kostenloser Apps finanziert. Wenn Apple hier nicht kooperativ sei, gebe es als Konsequenz weniger solcher Apps. Das ODIN-System soll auch auf Android-Geräten laufen, obwohl auf diesen die Identifizierung mittels IMEI – dem Android-Gegenstück zu UDID – noch ohne Einschränkung möglich sei.

Die an ODIN beteiligten Unternehmen wollen mit ihrer Opt-out-Lösung das machen, was die größten Werbenetzwerk-Betreiber, Google und Yahoo, bereits anbieten. Subramanian glaubt nicht, dass sich am Ende viele Nutzer gegen die Einblendung von Anzeigen in ihren Apps entscheiden. Studien hätten gezeigt, dass dies im Web weniger als sechs Prozent tun. Das ODIN-Konsortium will zudem die Nutzer aktiv „aufklären“, warum ein Opt-out ihnen weniger bringt. „Es ist doch unangenehmer, wenn man immer wieder dieselbe Anzeige sieht oder Banner, deren Inhalte einen überhaupt nicht interessieren“, sagt Subramanian. Will man das verhindern, kommt man am Tracking nicht vorbei, lautet sein Argument.

Mit dem Vorstoß will das Konsortium einer staatlichen Regulierung von mobiler Werbung zuvorkommen, vermuten Branchenbeobachter. Laut einer Studie der Stanford University vom vergangenen Jahr lösen aber viele Unternehmen existierende Selbstverpflichtungen zum Opt-out im Web nicht ein. Die Hälfte der untersuchten Firmen löschte ihre Cookies – kleine Dateien, die Basisinformationen über einen Nutzer speichern – auch dann nicht, wenn der Nutzer sich für ein Opt-out entschieden hatten.

Ouriel Ohayon, CEO von Appsfire, glaubt aber nicht, dass die ODIN-Lösung lange halten wird. „Mit der MAC-Adresse zu arbeiten ist bestenfalls ein Zwischenlösung“, sagt Ohayon, dessen Firma eine werbefinanzierte, kostenlose App anbietet, mit der man leichter neue Smartphone-Anwendungen finden kann. „Die MAC-Adresse übermittelt genauso wie der UDID private Informationen über das Gerät.“ Wenn Apple bei seiner neuen Linie bleibe, werde es auch dieses Verfahren irgendwann ablehnen.

Ohayon setzt auf ein eigenes System: OpenUDID. Es wird bereits von einigen Unternehmen unterstützt. Bei der OpenUDID handelt es sich um eine Identifizierungsnummer, die per Zufallsgenerator erstellt wird und sich nicht auf das Gerät selbst bezieht. Sie wird über die Betriebssystemfunktion Kopieren & Einsetzen in einer Software abgelegt, auf die andere Apps zugreifen können. Das System hat ebenfalls einen Opt-out-Mechanismus. Während Ohayon OpenUDID bessere Chancen gibt als ODIN, vor Apple Gnade zu finden, warnen kritische Beobachter, der kalifornische Computerkonzern könnte sich an der Nutzung von Kopieren & Einsetzen stören. Subramanian wiederum ist zuversichtlich, dass Apple das ODIN-System genehmigen wird, zumal erste Firmen es schon anwenden würden.

Dennoch sei es derzeit nur eine Minderheit in Werbeindustrie, die auf ODIN setze, hält Ohayon dagegen. Er fände es am besten, wenn Apple selbst eine Lösung für das Problem vorschlagen würde, wie mobile Werbung und Datenschutz in Zukunft miteinander vereinbar sein könnten. (nbo)