Diskussion um geplante Anti-Terror-Datei

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann fordert eine erweiterte Datei. Damit stößt er bei anderen Politikern auf Kritik.

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Von
  • Detlef Borchers

Über die geplante Anti-Terror-Datei, deren Einrichtung schon im September verabschiedet werden soll, ist ein innenpolitischer Disput ausgebrochen. Damit dieser ehrgeizige Zeitplan eingehalten werden kann, wird der Gesetzentwurf für die gemeinsame Datei von Polizei und Geheimdiensten zurzeit in einem "Umlaufverfahren" den Innenministern der 16 Bundesländer zugestellt. Diese haben damit Gelegenheit, den Entwurf zu kommentieren. Dabei gibt es erhebliche Meinungsunterschiede.

So fordert der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) eine Erweiterung der Datei. Sie solle nicht nur als Indexdatei aufgebaut werden, bei der die Indices anzeigen, welche Behörde weitergehende Informationen hat. Gegenüber der Financial Times Deutschland erklärte Schünemann, dass in der Datei mindestens noch Felder für die Religionszugehörigkeit und über den Besuch von Ausbildungslagern enthalten sein sollen. Außerdem wandte er sich gegen die rigide Datenbanktechnik: "Die geplante weitgehende Beschränkung auf feste Datenfelder würde die Datei zu unflexibel machen. Es sollte auch ein freies Textfeld geben, in dem besondere Erkenntnisse angegeben werden." Weil Verweise und Aktenzeichen keine Hilfe seien, sollten Beamte in diesen Kommentarfeldern Vermutungen darüber eintragen können, in welche Richtung der Verdacht bei einer Person geht.

Gegen diese Ausweitung der Anti-Terror-Datei sprach sich Fritz Rudolf Körper aus, der Vizefraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag ist. Er erklärte in der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass die Idee einer Indexdatei nicht aufgeweicht werden dürfe. "Es gibt berechtigte rechtsstaatliche Bedenken gegen diesen Ansatz. Eine Datei soll zwar die für eine effektive Terrorismusbekämpfung erforderlichen Informationen enthalten, muss zum Schutz persönlicher Daten und wegen des Trennungsgebots für Polizei- und Geheimdienstarbeit aber auch auf das Notwendige beschränkt bleiben," erklärte Körper im Interview mit der Zeitung.

Auf Schünemanns Vorschläge reagierten auch die übrigen Parteien. Für die FDP lehnte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Interview mit dem SWR eine Eintragung der Religionszugehörigkeit als verfassungswidrig ab. Mit dem Eintrag sieht die ehemalige Justizministerin das Grundrecht der Religionsfreiheit verletzt. Für die Grünen erklärte Parteichefin Claudia Roth, dass man einer Indexdatei zustimmen werde. Eine Volltextdatei sei nicht mit der grundgesetzlich geforderten Trennung von Polizei und Geheimdiensten vereinbar und würde einen Datenfriedhof erzeugen. Außerdem sei nur eine Indexdatei in der Lage, die Quellen der Geheimdienste zu schützen. Ablehnend äußerte sich auch Ulla Jelpke, die Innenexpertin der Linksfraktion. Gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung erklärte sie, das schon heute die Geheimdienste Informationen für die Polizei gewönnen und damit die rote Linie des Trennungsgebotes überschritten. So diene die Debatte nur dazu, das zu legitimieren, was ohnehin geplant gewesen sei.

Unterdessen hat sich heute Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in London mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien, Frankreich, Finnland, Portugal und Slowenien sowie dem Vizepräsident der EU über den Kampf gegen den Terrorismus beraten. Dabei wurde ein Bündel von Maßnahmen beschlossen, wie es in der entsprechenden Mitteilung heißt. Unter anderem soll es darum gehen, "das Internet zu einer feindlichen Umgebung für Terroristen und alle jene zu machen, die danach trachten, junge Menschen zu radikalisieren, Hassbotschaften zu verbreiten und Massenmorde zu planen".

Außerdem soll der "home-grown Terrorismus" stärker analysiert werden. "Die finnische Präsidentschaft wird hierzu einen Prozess für regelmäßige Expertentreffen starten, um Radikalisierungsursachen zu analysieren und darauf aufbauend gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören der Austausch von Erfahrungen hinsichtlich der Radikalisierung in entscheidenden Umfeldern wie Gefängnissen, Schulen, Andachtsstätten sowie diesbezügliche Forschungsarbeiten und die Untersuchung der Rolle der Medien." Wie der Austausch von Erfahrungen dabei vonstatten geht, lässt das Kommuniqué offen.

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(Detlef Borchers) / (anw)