Führungswechsel bei Vereinigung von Softwarepatent-Gegnern

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat auf seiner Mitgliederversammlung mit Pieter Hientjens einen Kompromisskandidaten zum Interimspräsidenten gewählt.

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Überraschende Wende im Machtkampf um die künftige Führungsstruktur beim Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII): Die anwesenden Mitglieder der Generalversammlung der Gruppierung von Softwarepatentgegnern haben am heutigen Dienstag in Brüssel Pieter Hintjens, Gründer und Chef des belgischen Open-Source-Dienstleisters iMatix, zum neuen Vorsitzenden gekürt. Er soll als Interimspräsident fungieren, also die Position an der Spitze zunächst nur vorläufig ausfüllen.

Zuvor hatte es einen heftigen Streit im inneren Zirkel des FFII gegeben, da die Brüsseler Lobbyvorhut des Vereins unter der Ägide des Schweden Erik Josefsson mit dem Management des bisherigen Präsidenten, Hartmut Pilch, unzufrieden war. Sie hatte deshalb mit dem noch verhältnismäßig jungen belgischen Programmierer Jonas Maebe einen Gegenkandidaten aufgestellt, der langjährigen FFII-Mitstreitern zufolge aber noch nicht die Statur für die Vereinsführung mitbrachte.

Hintjens ist in der Vereinsarbeit ein noch weitgehend unbeschriebenes Blatt. Hervorgetan hat er sich aber beispielsweise bereits bei der Aktion "Wirtschaftliche Mehrheit gegen Softwarepatente", mit welcher der FFII im Vorfeld der Entscheidung über die letztlich gescheiterte EU-Richtlinie über die Patentierung "computergestützter Erfindungen" die Europa-Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen versuchte. Im Rahmen einer Testimonial-Seite erklärte der Belgier in diesem Zusammenhang: "Softwarepatente sind Enteignung". Im Open-Source-Bereich hat Hintjens den Code-Generator Libero entwickelt sowie eine Führungsrolle beim Vorantreiben der Generator Scripting Language (GSL) eingenommen. Studiert hat er Informatik an der englischen University of York.

Oliver Lorenz von der Berliner Firma Emcita (European Media, Communication and Information Technology Association), der sich zunächst als weiteres Vorstandsmitglied zur Verfügung gestellt hatte, begrüßte gegenüber heise online die Wahl Hintjens' zum Interimspräsidenten. Allerdings hätte er es lieber gesehen, wenn mit Pilch der Gründer und bisherige Motor des FFII im Amt bestätigt worden wäre. Wie Antonios Christofides und Felipe Wersen, die mit Lorenz für den Vorstand vorgeschlagen waren, zog er seine Kandidatur zugunsten Pilchs zurück. Dieser bleibt damit gemeinsam mit Maebe Vorstandsmitglied. Lorenz verwies aber auch darauf, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei: Da Hintjens erst nach der Festlegung der Tagensordnung der Generalversammlung ins Spiel gebracht worden sei, stehe die vor Ort erfolgte Wahl noch zur Abstimmung durch die ordentlichen FFII-Mitglieder.

Sollte Hintjens das Votum erhalten, würden die Geschicke des Münchner Vereins künftig verstärkt in der Brüsseler Hauptstadt bestimmt. Unklar ist dabei noch die weitere Rolle Pilchs, der laut den ursprünglichen Plänen des Brüsseler FFII-Lobbyisten die Funktion eines "Chief Strategical Advisor" einnehmen und von den Alltagsgeschäften entlastet werden sollte. Unruhe hatte es wenige Tage vor der Abstimmung zudem auf Grund der Wahl des Ortes für die Mitgliederversammlung gegeben: Gängigen Rechtshandbüchern zufolge hat eine solche Zusammenkunft bei einem deutschen Verein zwar nicht direkt am Sitz desselben stattzufinden. Ort und Zeit der Versammlung müssen aber zumutbar sein. Ob dies bei einem Treffen in Brüssel erfüllt ist, scheint Skeptikern fraglich. Allgemein konnte der FFII im Kampf gegen die Softwarepatentrichtlinie auf gut 90.000 Unterstützer zurückgreifen. Gemeinsam mit der Kampagne NoSoftwarePatents.com, die im Frühjahr an den Verein angegliedert wurde, gehört der FFII zu den bekanntesten Gruppierungen gegen eine Ausweitung des Monopolschutzes für Computerprogramme und die diesbezüglichen Praktiken des Europäischen Patentamtes. (Stefan Krempl) / (jk)