ICANN verschiebt erneut Entscheidung zur Porno-Domain .xxx

Außer durch den Schlingerkurs zu .xxx hat sich die Internet- und DNS-Verwaltung auch mit dem hinter verschlossenen Türen vorbereiteten .com-Vertrag in eine schwierige Situation manövriert.

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Von
  • Monika Ermert

Der Vorsitzende der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Vint Cerf, hat die Entscheidung zur ungeliebten Rotlichtdomain .xxx von der Agenda der Direktorensitzung in dieser Woche genommen. Verschiedene Regierungen haben laut einem Bericht von US-Anwalt und ICANN-Kenner Bret Fausett bei einer gemeinsamen Sitzung des ICANN-Regierungsbeirates (GAC) und der ICANN-Spitze ihre Bedenken zu der .xxx-Domain geäußert. Noch vor einer Präsentation der designierten .xxx-Registierdatenbankbetreibers ICM Registry für die GAC-Mitglieder entschied der Vorsitzende des ICANN-Vorstandes, die Entscheidung zu .xxx von der Tagesordnung der Vorstandssitzung am kommenden Sonntag zu nehmen.

Mehrere Regierungen, darunter Brasilien, Dänemark, sowie ICANNs offizielle Aufsichtsbehörde, die National Telecommunication and Information Administration (NTIA), hatten ICANN bereits kurz vor dem Luxemburg-Treffen im Sommer aufgefordert, die .xxx-Domain bis auf weiteres zurückzustellen. In Vancouver äußerten sich erneut einzelne Regierungen wie Brasilien und Schweden kritisch zur Rotlichtdomain.

Cerf teilte auf Anfrage von heise online mit, ein von ICMRegistry angeforderter Bericht zu .xxx sei zu spät an das GAC übermittelt worden. Mit der Verschiebung wolle er dem GAC lediglich Zeit geben, das 350 Seiten starke Papier auch zu lesen. Cerf sagte, die Verzögerung gehe auf die Kappe von ICMRegistry. Das Unternehmen habe gezögert, eine herausgabefähige Fassung seiner Bewerbung zur Verfügung zu stellen: "Ich beabsichtige, die Kommentare des Regierungsbeirates zur Vorlage der Vorschlages [im ICANN Vorstand, d. Red.] abzuwarten, nachdem die Regierungen Zeit zur Prüfung des Berichts hatten. Bisher waren die Äußerungen von Seiten des GAC sehr unterschiedlich. Ich will daher nicht darüber spekulieren, welche Eingaben von Seiten des GAC kommen werden, bislang wurde vor allem um mehr Information und mehr Bedenkzeit gebeten." Mit seiner Antwort umschifft ICANNs Präsident die Frage, ob ein klares Veto von Seiten des GAC das Ende der Rotlichtdomain bedeuten würde.

Inzwischen brodelt beim ICANN-Treffen im Westin Bayshore Resort & Marina in Vancouver die Gerüchteküche. Fausett berichtet in seinem Blog darüber, dass hinter den Kulissen in Bezug auf die .xxx-Domain auch über massiven Druck von Seiten der US-Administration und der EU. "Es ist etwas faul in ICANN-Land", meint Fausett mit Blick auf die fehlende Transparenz von Entscheidungsprozessen.

Neben dem Schlingerkurs zu .xxx, der laut Beobachtern ICANN in einen weiteren Prozess führen könnte, hat sich ICANN auch mit dem hinter verschlossenen Türen vorbereiteten .com-Vertrag in eine schwierige Situation manövriert (siehe dazu auch: Internet-Verwaltung wegen neuer .com-Verträge unter Beschuss). Zwar vermeldete man erst einmal erleichtert die Entscheidung des kalifornischen Richters, einer einstweiligen Verfügung nicht stattzugeben. Der .com-Vertrag sollte ohnehin nicht in Vancouver beschlossen werden, teilte ein ICANN-Sprecher auf Anfrage von heise online mit. ICANN muss jetzt bis 5. Dezember Stellung zur Klage nehmen. Eine gerichtliche Anhörung wurde für Anfang Februar angesetzt. (Monika Ermert) / (jk)