EU-Parlament: Berichterstatterin plädiert für Ja zu ACTA

Marielle Gallo, Berichterstatterin im mitberatenden Rechtsausschuss des EU-Parlaments, hat sich für die Ratifizierung des Anti-Piraterie-Abkommens ausgesprochen. Im Industrieausschuss stehen die Signale dagegen auf Rot.

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Marielle Gallo, Berichterstatterin im mitberatenden Rechtsausschusses des EU-Parlaments, hat sich für die Ratifizierung von ACTA ausgesprochen. Eine Prüfung des Juristischen Dienstes der Bürgervertretung habe bestätigt, dass das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen nicht über das bestehende Gemeinschaftsrecht hinausgehe, schreibt die französische Konservative in dem jetzt vorliegenden Entwurf für ihre Abstimmungsempfehlung. Der Vertragstext enthalte auch keine Verpflichtungen, die per se unvereinbar seien mit der EU-Grundrechtecharta. Vielmehr erforderten mehrere Bestimmungen bei der Umsetzung explizit die gesonderte Beachtung fundamentaler Freiheitsrechte.

Marielle Gallo, die Berichterstatterin im Rechtsausschuss

(Bild: Europaparlament)

ACTA schaffe auch keine neuen Rechte an immateriellen Gütern, betont die Vertreterin der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) weiter. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Produktpiraterie wie etwa Bestimmungen zu Beschlagnahme gefälschter Waren an den Grenzen durch Zollbehörden seien angemessen. Die viel diskutierten Strafvorschriften richteten sich allein gegen Handlungen im "gewerblichen Ausmaß", hebt die Französin hervor. Sie könnten daher nicht auf Jugendliche angewendet werden, die sich illegal Inhalte aus dem Netz heruntergeladen haben. Generell blieben Aktionen, die von Endverbrauchern "im guten Glauben" begangen wurden, außen vor. Sonst würden die Sanktionen auch gegen das vom Übereinkommen garantierte Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen.

Zur Rolle der Internetprovider hält Gallo fest, dass ACTA im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung des Online-Verkehrs vorsehe. Im Rahmen von Klagen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen könnten Gerichte aber die Herausgabe personenbezogener Nutzerdaten anordnen. Um auf jeden Fall sicherzustellen, dass ACTA auch bei der Anwendung keine Grundrechte untergrabe, soll die EU-Kommission jährlich den Abgeordneten einen einschlägigen Bericht zur Kontrolle vorlegen. Gallo, deren Partei "La Gauche moderne", den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy unterstützt, hat bereits einen Bericht durchs Parlament gebracht, der für stärkere Sanktionen gegen illegales Filesharing plädiert.

Der Berichterstatter im federführenden Handelsausschuss, der britische Labour-Abgeordnete David Martin, hatte sich vorige Woche gegen ACTA ausgesprochen. Seiner Ansicht nach überwiegen die von dem Vertrag hervorgerufenen Ängste die parallel geweckten Hoffnungen auf eine bessere internationale Bekämpfung von Rechtsverletzungen. Unterstützung erhält der Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion nun von seiner Kollegin im Industrieausschuss. Amelia Andersdotter, die für die schwedischen Piraten Mitglied der Fraktion der Grünen ist, begrüßt in ihrem Berichtsentwurf zwar, dass die Verhandlungsparteien das Problem der Produktpiraterie angehen wollten. ACTA werfe aber etwa Marken- und Urheberrechte in einen Topf und lasse klare Definitionen von Schlüsselbegriffen vermissen.

Die Schwedin fürchtet ferner, dass die Übereinkunft keine faire Balance zwischen Rechten an immateriellen Gütern, dem Datenschutz sowie der Unternehmer- und Meinungsfreiheit gewährleiste. Zudem stünden Teile des Textes im Widerspruch zum Anliegen der Digitalen Agenda der EU-Kommission, mit denen der alte Kontinent und seine zahlreichen mittelständischen Firmen eine Vorreiterrolle bei Internet-Innovationen einnehmen sollten. Die Abstimmungen in den Ausschüssen stehen in den nächsten Wochen an, mit dem Votum des Plenums ist eventuell noch vor der Sommerpause zu rechnen. (mho)