Schärfere Waffen gegen Spam-Versender gefordert

Spam solle nicht als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat bekämpft werden, empfahlen Sachverständige bei einer Bundestagsanhörung zum Anti-Spam-Gesetz.

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Von
  • Richard Sietmann

Bei einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses zum Anti-Spam-Gesetzentwurf (PDF) der Regierungskoalition sprachen sich am heutigen Montag im Bundestag die geladenen Sachverständigen und Vertreter von Verbänden überwiegend für eine Verschärfung der Sanktionen in dem Entwurf aus. Der Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung des Teledienstegesetzes (TDG) will die Verschleierung oder Verheimlichung des Absenders und des kommerziellen Charakters in den Kopf- und Betreffzeilen unerwünschter E-Mails bislang als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro ahnden.

Nach Auffassung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) wird die Einführung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes nicht zu einer wirksameren Verfolgung von Spammern und zum besseren Schutz der Nutzer führen. Massenmails, bei denen die Angaben zur Absenderidentifikation oder zum Charakter der Nachricht vorsätzlich so gestaltet sind, dass sie den Empfänger über die wahre Identität des Absenders oder den Inhalt der Nachricht täuschen, "sollten als Straftatbestand qualifiziert werden", forderte der vzbv.

Die für die Verfolgung von Spammern erforderliche Rechtshilfe anderer Staaten setze regelmäßig das Vorliegen einer Straftat voraus, begründete Gunnar Bender von AOL Deutschland vor den Ausschuss, warum sein Unternehmen ebenfalls schärfere gesetzliche Waffen im Kampf gegen die Müllmailflut fordert. Erst die internationale Rechtshilfe ermögliche das Aufdecken der Geldströme, und damit auch die tatsächlich für das Spamming Verantwortlichen zu ermitteln. Mit dem Durchgriff auf die Auftraggeber würden gerade die Personen einbezogen, die den entscheidenden wirtschaftlichen Anreiz für die Versendung der ungewünschten E-Mails liefern.

Nach den detaillierten Vorstellungen zu gesetzlichen Maßnahmen, die AOL in der Anhörung präsentierte, sollte deshalb nicht nur nach einem neu in das Teledienstegesetz einzuführenden Paragrafen "mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft" werden, wer "seine Identität bei der Versendung kommerzieller Kommunikation verschleiert", sondern auch der Nutznießer, nämlich derjenige, der diese Aktivitäten "zur Förderung des eigenen Handels oder Gewerbes oder zum Zwecke des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen ausnutzt".

Auch der Vertreter des zu der Sachverständigen-Anhörung geladenen Heise Zeitschriften Verlages, Jörg Heidrich, empfahl dem Gesetzgeber angesichts der enormen durch Spam verursachten Kosten sowie der erheblichen kriminellen Energie auf Seiten der Spammer eine Verschärfung des Entwurfes. Das Problem sei nämlich nicht der Gelegenheits-Spammer von nebenan. "Wir haben es hier mit kriminellen Organisationsstrukturen zu tun", erklärte Heidrich, und "zumindest für solche Fälle kommen wir mit den bestehenden Regelungen und mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht nicht aus".

Die Gegenposition vertrat Irini Vassilaki von der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI). Sie hält die bestehenden Strafrechtsvorschriften für ausreichend und die geplante TDG-Novellierung eigentlich für überflüssig. Die Fälschung der Absenderidentität beispielsweise könnte schon als Urkundenstraftat nach den Paragrafen 267 und 269 des Strafgesetzbuches verfolgt werden. "Wir müssen nur die Staatsanwälte dazu zwingen, auf diesem Gebiet etwas zu tun", meinte die DGRI-Juristin. "Der Ruf nach neuen Strafnormen beziehungsweise Ordnungswidrigkeiten kann dagegen nur populistische Erfolge haben und den symbolischen Charakter des Strafrechts wieder einmal betonen -- der Bekämpfung des Übels hilft er nicht."

T-Online und AOL wünschen sich vom Gesetzgeber mehr Rechtssicherheit für die eigenen Aktivitäten im Kampf gegen Spam, insbesondere die Klarstellung, dass die eingesetzten Methoden des Filterns nicht gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis sowie das Blocken von Mails aus Zombie-Netzen nicht gegen die Transportpflicht der Provider verstoßen. Diensteanbieter sind berechtigt, so der konkrete Vorschlag zur Ergänzung des TDG von AOL in Bezug auf das Blocken, "aufgrund objektiver Kriterien im Einzelfall die an ihre Nutzer gerichtete elektronische Post gegenüber dem einliefernden Diensteinhaber zurückzuweisen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Systeme des die elektronische Post einliefernden Diensteanbieter oder Nutzers schädliche Software (Viren, Würmer oder Trojaner) versenden" oder "die elektronische Post unaufgeforderte kommerzielle Kommunikation darstellt". Der Einlieferer sollte dabei unverzüglich über die Zurückweisung informiert werden.

Weitgehend einig zeigten sich die Experten -- zumindest diejenigen, welche die gesetzliche Initiative grundsätzlich befürworten -- dass der Gesetzentwurf technikneutral formuliert sein müsse und neben E-Mails auch alle anderen Formen von Spam in Foren, Chat-Rooms, Instant Messaging und die neuerdings automatisierten Telefonbelästigungen via Voice-over-IP umfassen sollte. (Richard Sietmann) / (pmz)