Datenschützer warnen vor Kollateralschäden bei Online-Durchsuchungen

Ein Bundestrojaner überschreite die "Grenzen jeder Sicherheit" und würde nur eine allgemeine Unsicherheit produzieren, in der niemand mehr weiß, ob er von der Maßnahme betroffen ist, meint Johan Bizer vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Vorfeld der 73. Konferenz der deutschen Datenschutzbeauftragten hat Johan Bizer, der stellvertretende Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, vor Online-Durchsuchungen von Computern gewarnt. In einem Interview mit Deutschlandradio Kultur erklärte Bizer, dass Online-Durchsuchungen Kollateralschäden bei der allgemeinen Computersicherheit produzierten, die in keinem Verhältnis zur technischen Maßnahme der Ermittler stehen würden. Ein Bundestrojaner überschreite die "Grenzen jeder Sicherheit" und würde nur eine allgemeine Unsicherheit produzieren, in der niemand mehr weiß, ob er von der Maßnahme betroffen ist.

In dem Interview (MP3-Datei) setzte sich Bizer von der gängigen Vorstellung ab, eine Online-Durchsuchung sei das digitale Äquivalent einer Hausdurchsuchung. Vielmehr sei eine Online-Durchsuchung eine Erweiterung der Telefonüberwachung, bei der der Computer mit technischen Mitteln überwacht werde. Diese Mittel, die Bizer zufolge vom Bundeskriminalamt offenbar in Zusammenarbeit mit den Herstellern von Virenscannern entwickele, würden alle Computer zu unsicheren Systemen machen. "Wenn das BKA das kann, wer wird das noch können?"

Im Interview wandte sich Bizer gegen den Vergleich von Online-Durchsuchungen mit der umstrittenen Operation Mikado, bei der anhand bestimmter Kreditkarten-Zahlungen die Daten von Millionen Kreditkartenkunden überprüft und bundesweit 322 Verdächtige ermittelt wurden, die über das Internet Kinderporno-Bilder oder -Videos gekauft haben sollen. Mikado sei eine Form von Rasterfahndung gewesen, bei der den Ermittlungsbehörden mehrere konkrete Anhaltspunkte zur Verfügung standen. Das sei absolut nicht mit einem Fall vergleichbar, in dem ein Nachrichtendienst einen Verdächtigen verfolge, in dem dann ein "Bundestrojaner" in die Welt gesetzt werde, der alle Unverdächtigen treffe. Angesichts der mangelhaften Informationen, die die Datenschützer vom BKA als Produzent solcher Trojaner bekommen, zeigte sich Bizer skeptisch, ob ein solcher Trojaner überhaupt kontrollierbar ist. "Wir warnen eindringlich davor, diesen Weg der Unsicherheit zu beschreiten", erklärte der Datenschützer.

Zu den Auseinandersetzungen um Terrorbekämpfung, die Online-Durchsuchung und die erweiterte Anti-Terrorgesetzgebung siehe auch die Übersicht über die bisherige und die aktuelle Berichterstattung in c't-Hintergrund:

(Detlef Borchers) / (jk)