Vor 40 Jahren: Electronics druckt Moores Gesetz

Die Jubiläumsausgabe von Electronics im Jahr 1965 blickte auf die Entwicklung der Elektronik zurück und wagte unter dem Motto "The experts look ahead" Prognosen für die Zukunft.

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Von
  • Detlef Borchers

Das Jubiläumsheft der Electronics vom 19. April 1965 [Klicke für vergrößerte Ansicht]

Heute vor 40 Jahren erschien die Jubiliäumsausgabe der Zeitschrift "Electronics", die ihr 35-jähriges Erscheinen feierte. Damals war Electronics das einflussreichste Blatt der amerikanischen Elektroindustrie und wurde auch in Europa viel gelesen. Das hier abgebildete Exemplar stand in der allen Ingenieuren zugänglichen Bibliothek von Brown, Boveri & Cie und befindet sich heute im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim.

In der Jubiläumsausgabe, die auf die Entwicklung der Elektronik zurück blickte und unter dem Motto "The experts look ahead" Prognosen für die Zukunft wagte, findet sich ein Aufsatz von Gordon E. Moore, Forschungsleiter bei Fairchild Semiconductors. Cramming more components onto integrated circuits betitelt, fasst der Untertitel den Aufsatz so zusammen: "With unit costs falling as the numbers of components per circuit rising, by 1975 economics may dictate squeezing as many as 65.000 components on a single silicon chip."

Diese Aussage erlangte später als Moores Gesetz Weltruhm, obwohl sie im Kontext der Jubiläumsnummer selbst keineswegs besonders aufregend war. So findet sich vor dem Aufsatz von Moore eine Überlegung von Eiichi Goto, der in Japan damals die Parametron-Computer konstruierte. Er schrieb: "Because of improved production techniques, the price of a computer can be reduced by a factor of 10 every decade. This would mean that a computer priced at $1 million today would cost only $10,000 by 1985, only $1,000 by 1995." Mit 100 Dollar im Jahre 2005 würden zumindest die Handys "Gotos Gesetz" erfüllen können. Wie teuer damals Computer waren, lässt sich der übrigens auffälligsten Anzeige der Jubiläumsnummer entnehmen. Sie stammt von DEC, geht über zwei Seiten und trägt die Schlagzeilen: "The PDP-8 is a powerful, integrated-circuit computer. It sits on a desk, understands FORTRAN, has 1.6 µsec cycle time and exceptional input/output capability. And it's yours for $18,000 complete, software included."

Den Titel der Jubiläumsnummer zierte David Sarnoff, damals Generaldirektor der RCA, die das vollelektronische Fernsehen (Bildabtastung) gegen das mechanische Fernsehen (Bildabnahme und Bildaufbau per Nipkow-Scheibe) am Markt durchsetzte. Sarnoff wurde vor einem Steuerpult für das Farbfernsehen fotografiert. Er war einstmals weltberühmt als der Funker, der im Jahre 1912 den Hilferuf der untergehenden Titanic empfing und alle erreichbaren Schiffe verständigte. 72 Stunden lang arbeitete Sarnoff ununterbrochen an der Rettung der Schiffbrüchigen. In der Jubliäumsausgabe erinnerte sich der damals kurz vor seiner Pensionierung stehende Sarnoff an die Anfänge des Kommunikationszeitalters. 1915 machte er als erster den Vorschlag, mit der drahtlosen Telegraphie Musik an alle Haushalte zu übertragen, die sich kein Klavier leisten konnten. Empfänger sollte eine "Radio Music Box" sein, die als "household utility" die Rolle des Klaviers übernehmen sollte. Für die Zukunft machte Sarnoff auf die Bedeutung der Satellitentechnik für die globale Kommunikation aufmerksam: 1964 wurden mit dem geostationären "Syncomm III" erstmals die Fernsehberichte von den olympischen Spielen via Satellit übertragen. Via Satellit werde jeder Mensch mit jedem Menschen kommunizieren können, erklärte Sarnoff.

Hitze-Probleme bei Halbleitern und eine Vorahnung des Mac mini vor 40 Jahren [Klicken für vergrößerte Ansicht]

Moores in der Electronics abgedruckten Überlegungen hatten zunächst nichts von einem Gesetz an sich. Er beschrieb seine Beobachtung, dass sich die Zahl der Transistoren auf einer integrierten Schaltung alle 12 Monate verdoppelt. Die Veröffentlichung dieser Beobachtung sollte vor allem verunsicherte Investoren beruhigen, da Moores damalige Firma Fairchild Semiconductors gerade eine Menge fähiger Ingenieure verloren hatte. In dem Moment, als seine Beobachtung zum "Gesetz" wurde, musste Moore auch schon nachkorrigieren und erklärte 24 Monate zum Intervall. Heute gelten 18 Monate als Zeitraum, in dem sich die Transistoren auf einem Chip verdoppeln (oder der Chip um die Hälfte verkleinert werden kann). Moore selbst gab dem Gesetz eine freundliche Note zu einem Zeitpunkt auf den Weg, an dem Überlegungen zu den Quanteneffekten bei der Chip-Produktion das definitive Ende seine Gesetzes einläuteten. Wirklich erbost konnte der immer freundliche, längst pensionierte Moore aber dann werden, wenn sein Gesetz in die lange Liste der Sentenzen aufgenommen wird, die wie etwa Murphys Gesetz ein Körnchen Wahrheit enthalten. Wenig freundliche Worte formulierte Moore auch über Raymond Kurzweil, den viele als Vollender des Mooreschen Gesetzes betrachten.

Zum Jubiläum des Gesetzes hat sich Moore bereits Gedanken gemacht. Das Heinz Nixdorf Museums-Forum wird ihm zu Ehren eine Chip-Pagode mit 3500 LED enthüllen, die Intel-Geschäftsführer Hannes Schwaderer einweiht. Die von Intel vernachlässigten Mac-Fans haben sich bereits auf ihre Weise gerächt: Die zum Aufsatz von Gordon Moore in der Electronics veröffentlichte Karikatur wird von ihnen als erstes Auftauchen eines Mac Mini diagnostiziert. (Detlef Borchers) / (jk)