"Science Fiction sollte nicht immer düster sein"

Der Bestseller-Autor Neal Stephenson spricht im Technology Review-Interview über die Frage, wie sich Zukunftstechnik möglichst schnell umsetzen lässt.

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Von
  • Stephen Cass

Der Bestseller-Autor Neal Stephenson spricht im Technology Review-Interview über die Frage, wie sich Zukunftstechnik möglichst schnell umsetzen lässt.

Der Bestseller-Autor Neal Stephenson, der wegen Science-Fiction-Romanen wie "Snow Crash" und "Diamond Age" von seinen Fans als stilbildender Visionär verehrt wird, wünscht sich von seinen Kollegen mehr positives Denken. Denn er befürchtet, dass der eher düstere Zukunftsentwurf, der in vielen SF-Romanen der letzten Jahre vorherrscht, die Möglichkeiten des Genres beschneide, künftige Ingenieure und Forscher zu inspirieren. "Ich bin ein Pessimist, der versucht, zum Optimisten zu werden", sagte Stephenson im Interview mit Jason Pontin, Chefredakteur der US-Ausgabe von Technology Review. Er selbst habe den Hang zur Dystopie selbst lange genug zelebriert. "Aber wenn jede Darstellung der Zukunft düster ausfällt, gibt es kaum Anreize mehr, eine positive Zukunft zu bauen."

Konsequenterweise versucht sich Stephenson deshalb nun selbst an einer literarischen Kurskorrektur. Er hat dazu im letzten Jahr das "Hieroglyph Project" gestartet, dessen Ziel es ist, eine Anthologie möglichst plausibler optimistischer Science-Fiction-Storys zusammenzustellen. Stephenson selbst steuert eine Geschichte bei, bei der es um einen 20 Kilometer hohen Turm geht, mit dem Raumfahrzeuge ins All gehievt werden. Die Story basiert auf einem realen Forschungsvorschlag.

Stephenson fürchtet, dass jenes "Big Thinking", das zu Projekten wie der Mondlandung und ähnlicher Großtaten führte, heute nicht mehr in Mode ist. Einer der Gründe dafür, so glaubt der Autor, war das Internet. "Alles blieb für eine Generation lang irgendwie liegen. Die Zivilisation brauchte erst eine Weile, um das Netz zu verdauen und herauszufinden, was man mit ihm anfangen kann."

Ein weiteres Problem sei der Trend, große Projekte aufzuschieben, weil man glaube, es sei besser, noch etwas zu warten, bis in irgendeinem Forschungsbereich ein großer Durchbruch erfolgt, der alles einfacher macht. Stephenson schreibt in seiner "Heiroglyph"-Story auch deshalb nicht von einem 100 Kilometer hohen Turm, den man vielleicht mit einem kommenden, superstarken Nanomaterial bauen könnte. Stattdessen bleibt er bei vergleichsweise einfachem High-Tech-Stahl, um zu signalisieren, dass man nicht auf ein technisches Wunder warten muss, das uns irgendwann in den Schoß fällt.

Stephenson glaubt, dass wir bereits die Grundlagentechnik haben, um viele der noch als Science-Fiction geltenden Projekte anzugehen. Dazu gehörten riesige Solarprojekte genauso wie routinemäßige Ausflüge in den Weltraum. Es sei deshalb wichtig, sich die Hürden anzusehen, die nichts mit Technik zu tun haben. "Ein gutes Beispiel sind Versicherungen", sagt Stephenson. Was merkwürdig klingt, ist für die Raumfahrt-Branche Tag für Tag Realität. So kann es sein, dass neuartige Satelliten ohne Schutz abheben müssen, weil den Versicherungsmathematikern ein Modell fehlt, derart andersartige Risiken zu berechnen. "Vielleicht sollten ja mal einige von Ihnen in die Versicherungsindustrie gehen, statt nur Code zu schreiben", sagte Stephenson grinsend vor einem Publikum aus Studenten des Massachusetts Institute of Technology. (bsc)