Zum 100. Geburtstag einer großen Fotografin: All about Eve

Engagiert, einfühlsam und mutig: Die im Januar verstorbene Magnum-Fotografin Eve Arnold hinterlässt ein bemerkenswertes Lebenswerk. Der Bildband "All about Eve" zeigt nun Fotografien aus drei Jahrzehnten, darunter weniger bekannte Aufnahmen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Robert Seetzen

All about Eve, Verlag teNeues (2011)

(Bild: teNeues)

Es war nicht mehr weit bis zum großen Jubiläum. Als Eve Arnold am 4. Januar dieses Jahres starb, fehlten nur wenig mehr als drei Monate bis zu ihrem hundertsten Geburtstag. Am 21. April 1912 als siebtes Kind russischer Einwanderer in den USA geboren, hat Eve Arnold dennoch weit mehr erlebt und geschaffen, als es den meisten anderen Menschen vergönnt ist. Ihr Werk zählt, darin sind sich sich Kollegen und Kritiker einig, zu den bedeutsamsten der Fotografie und des Fotojournalismus.

Arnold, erst Mitte Dreißig zur professionellen Fotografie gelangt, hatte stets mehr zum Ziel, als nur gute Bilder abzuliefern. Selber in Armut aufgewachsen, galt ihr Interesse immer wieder sozialen Themen, sie wollte nicht nur dokumentieren, sondern auch kommentieren und bewegen. All about Eve zeigt, wie ernst es ihr damit war.

© 1963, Eve Arnold, Magnum Photos, Verlag teNeues (2011)

(Bild: teNeues )

Zu den eindrucksvollsten Bildern des leider nicht eben billigen Bandes zählen die Fotografien des schwarzen Amerika in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts. Das Aufbegehren gegen die allgegenwärtige Diskriminierung, teils radikal, teils in der Tradition Mahatma Gandhis, bleibt in Arnolds Bildern bis heute fassbar und lebendig. Eine kurze Bildserie etwa zeigt zwei schwarze Studenten, die eine Kommilitonin mit Provokationen traktieren - ein Training, um im gewaltfreien Widerstand die Ruhe zu bewahren.

Wie sehr Provokationen zum Alltag schwarzer US-Bürger gehörten, lassen auch zwei Aufnahmen aus Veranstaltungen der Black Muslims vermuten. Inmitten der fast ausschließlich schwarzen Zuhörer sitzen drei weiße US-Nazis, in vollem Ornat inklusive Hakenkreuz-Armbinde. Erstaunlich an diesem Bild und zugleich kennzeichnend für Arnolds Fotografien: Sie lässt ihren Protagonisten stets die Würde. Auch dann, wenn es sich um drei ganz und gar deplatzierte Rassisten handelt. Eve Arnold mag seinerzeit polarisiert haben, Überzeichnungen oder gar Karikaturen waren offenbar nicht ihr Metier.

© 1964, Eve Arnold, Magnum Photos, Verlag teNeues (2011)

(Bild: teNeues )

Dass engagierter Fotojournalismus keineswegs nach drastischer Bildsprache verlangt, zeigen auch Arnolds Aufnahmen von den Lebensbedingungen schwarzer Farmarbeiter. Die fast schon stillen Bilder entfalten ihre Wirkung vielleicht erst auf den zweiten Blick, bleiben aber um so stärker im Gedächtnis haften. Ebenso übrigens die fröhlichen Bilder aus dem schwarzen US-Showbiz der Fünfziger.

Die offenbar große Nähe Eve Arnolds zur Kunst- und Filmszene wird auch an ihren Aufnahmen von Marilyn Monroe, Arthur Miller und anderen Größen jener Zeit deutlich. Wie bei ihren politischen Sujets erweist sich Arnolds erneut als kluge, einfühlsame Beobachterin. Ihre Bilder stellen Nähe her, ohne die Grenzen der Privatheit niederzutrampeln. Zu den eindrucksvollsten Fotos in All about Eve zählt dabei gewiss eine Aufnahme von Richard Burton und Liz Taylor, gleichermaßen meisterhaft in Aufbau, Licht und dem Gefühl für den richtigen Moment.

© 1960, Eve Arnold, Magnum Photos, Verlag teNeues (2011)

(Bild: teNeues )

Den größten Anteil der Bilder in All about Eve haben Fotos aus Amerika, der Wirkungskreis von Eve Arnold war indes ungleich größer. Umfangreiche Reportagen hat sie etwa in der damaligen UDSSR, in China, Afrika und der Karibik angefertigt. All about Eve hält hier eher Exemplarisches bereit, dennoch zeigt sich auch in der vergleichsweise überschaubaren Auswahl die hohe Qualität von Arnolds Arbeiten. Inmitten der fast immer kraft- und eindrucksvollen Schwarzweißbilder wirken die Farbfotos allerdings nicht nur zahlenmäßig etwas verloren. Vor allem die farbigen Portraits scheinen vergleichsweise blass, einzig die Aufnahme einer jungen Mongolin kann ähnlich fesseln wie das Gros der Schwarzweißbilder.

All about Eve zeigt exzellenten Fotojournalismus und zeitlose Fotografie auf höchstem Niveau. Dass die jüngsten Arbeiten bereits mehr als dreißig Jahre alt sind, spielt dabei keine Rolle. Wer Menschen so aufmerksam beobachtet wie Eve Arnold, muss die Urteile späterer Generationen nicht fürchten.

(keh)