Der virtuelle Kampf ums Weiße Haus: Freche Fragen, alte Antworten

Das Internet ist aus dem Werben um die Wählergunst in den USA nicht mehr fortzudenken. "Heute ist es mitentscheidend, wer online seine Anhänger am besten mobilisiert", sagt Harvard-Professor John Palfrey.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 17 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Frank Brandmaier
  • dpa

Die Fragen kamen aus dem Garten, aus Bade- und Wohnzimmern, vor allem aber stammten sie mitten aus dem Leben. "Würden Sie für den gesetzlichen Mindestlohn arbeiten?", wollte einer von den acht US-Präsidentschaftskandidaten der Demokraten wissen, die sich am Montagabend (Ortszeit Charleston, South Carolina) ) erstmals in einer Fernsehdebatte Fragen stellen mussten, die per Internet-Videoclip eingereicht worden waren. Es ging um gleichgeschlechtliche Ehen, marode soziale Sicherungssysteme, Bildung, den Irak-Krieg, um Gott und Waffengesetze, aber auch darum, ob Hillary Clinton eigentlich ausreichend feminin und Barack Obama wirklich schwarz genug sei.

Als "historisch" hatte der US-Fernsehsender CNN das Experiment bezeichnet, die Bewerber um das Weiße Haus mit den Eigenproduktionen des Wahlvolks zu konfrontieren, die zuvor an das Internet-Videoportal "YouTube" geschickt worden waren. Fast 3000 trafen dort ein, CNN wählte schließlich knapp 40 aus – eine neue Dimension im politischen Schlagabtausch der USA, der immer stärker vom Internet geprägt ist. "Es ist noch nie versucht worden, wir wissen nicht, wie es funktionieren wird", räumte vor dem Beginn der Live-Diskussion CNN-Moderator Anderson Cooper vorsichtig ein.

Das Internet ist aus dem Werben um die Wählergunst in den USA nicht mehr fortzudenken. "Heute ist es mitentscheidend, wer online seine Anhänger am besten mobilisiert", sagt Harvard-Professor John Palfrey. Die USA bieten beste Bedingungen: Jeder zweite Amerikaner hat einen Breitband-Anschluss, mit dem auch Videos abrufbar sind. Und besonders die Demokraten setzen auf die Netzwelt: Zahlreiche Bewerber ums Weiße Haus gaben ihre Kandidatur diesmal online bekannt.

Die Fragesteller während der Fernsehdebatte vom Montagabend trugen Baseballmützen und Sonnenbrillen, sangen Lieder oder ließen virtuell Schneemänner schmelzen, um ihre Sorge über den Klimawandel auszudrücken. Sie zeigten sich mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner und redeten meist nicht geschliffen, sondern mit vielen "Ähs" und "Mmhs." Hinterher waren sich die meisten Beobachter einig: Es kam frech daher, manchmal skurril und immer wieder witzig.

Ob die Idee zum politischen Erkenntnisgewinn beitrug, blieb indes strittig: "Neue Fragesteller, aber kaum neue Antworten", zog Kommentator Vaughn Ververs vom Fernsehsender CBS Bilanz. "Trotz des einzigartigen Formats kamen immer wieder traditionelle Wahlkampfinstinkte zum Tragen, indem die Kandidaten potenziell unbequeme Fragen in sichere Antworten ummünzten." Selbst mancher, der per Videoclip Antworten verlangt hatte, äußerte sich verhalten. "Es war im Großen und Ganzen schon unterhaltsam. Aber war es auch informativer? Wohl so informativ, wie jede andere Debatte, die wir gesehen haben", meinte der Kalifornier Stephen Sorta, der von den Bewerbern wissen wollte, ob die Kandidaten zu direkten Gespräche mit dem Iran, Syrien, Venezuela und Nordkorea bereit wären.

"Das war die beste Debatte, die ich je gesehen habe", urteilte der Berater für Internetstrategien, James Kotecki, auf CNN. Politiker könnten dank des neuen Formats nun sehr viel stärker direkt mit den Menschen kommunizieren. Präsidentschaftskandidat Bill Richardson allerdings fühlte sich am Montagabend trotz der neuen Möglichkeiten durch das Internet auch an seine Erfahrungen im Wahlkampf draußen im Lande erinnert: "Das war dieselbe Sorte Fragen, die wir eigentlich auch auf der Straße gestellt bekommen."

Siehe dazu auch:

(Frank Brandmaier, dpa) / (jk)