Zürcher Stimmbürger für Aufbau eines neuen Glasfasernetzes

In einigen Monaten sollen die ersten Privatkunden die Bandbreiten eines Glasfasernetzes in Zürich nutzen können.

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Von
  • Tom Sperlich

Die Zürcher und Zürcherinnen haben entschieden: In Zürich wird es ein Glasfasernetz geben, das vom ewz (Elektrizitätswerk Zürich), einem städtischen Unternehmen, aufgebaut und betrieben wird. Nachdem sich kurz vor Weihnachten der Gemeinderat von Zürich mehrheitlich für den Bau und Betrieb des neuen Glasfasernetzes und die Aufnahme eines Rahmenkredits von 200 Millionen Franken (123,68 Millionen Euro) ausgesprochen hatte, musste gestern, wie in der Schweiz obligatorisch, auch das Volk zustimmen. Es tat dies mit fast 65 Prozent der Stimmen.

Im Vorfeld der Abstimmung kam es zu intensiven Debatten. Im Fokus stand dabei die international diskutierte Frage, inwieweit sich die öffentliche Hand als Betreiber eines Telekommunikationsnetzes engagieren solle und dabei mit der Privatwirtschaft konkurrieren dürfe. Die vorangehende positive Entscheidung des Gemeinderates kam mit der Unterstützung der Mehrheit der im Gemeinderat vertretenen Parteien zustande. Einig sind sich Stadt- und Gemeinderat, dass ein neues Breitbandnetz zur Grundversorgung der Stadt gehöre und auch für den Wirtschaftsstandort Zürich dringend benötigt werde. Zwar sind in Zürich bereits sechs Glasfasernetze vorhanden, bislang bieten deren Betreiber wie Swisscom, Cablecom oder Colt Telecom die schnellen Glasfaserverbindungen aber ausschließlich Geschäftskunden an. In einigen Monaten, erklärte der zuständige Stadtrat Andres Türler, sollen nun auch die ersten Privatkunden die Bandbreiten eines Glasfasernetzes nutzen können. Aus wirtschaftlichen Gründen sollen in einer ersten Projektphase zuerst Geschäftsliegenschaften und größere Mehrfamilienhäuser an das ewz-Glasfasernetz angeschlossen werden.

Im Abstimmungskampf kam es zwischen den Befürwortern und Gegnern des neuen ewz-Glasfasernetzes auch zu ständigen Zahlenjonglierereien. Obwohl sie sonst nicht gerade an einem Strang ziehen, schlossen sich im Vorfeld der Abstimmung Swisscom, Cablecom, Colt und TDC Switzerland im "Forum Telekom-Netzbetreiber" zusammen, um gegen den ihrer Meinung nach "ungerechten 200-Millionen-Kredit" Widerstand zu leisten. "100 Prozent müssen zahlen, 10 Prozent profitieren, 90 Prozent gehen leer aus" argumentierten die Telekomunternehmen gegen das Glasfasernetz.

Das Forum Telekom-Netzbetreiber berief sich bei seinen Aussagen auf offizielle Zahlen des Stadtrates. In der offiziellen Abstimmungsdokumentation sei nachzulesen, dass das ewz in der ersten Phase von sechs Jahren 13.124 Haushalte und 4020 Unternehmen ans Glasfasernetz anschließen möchte, es also nicht einmal 20.000 Anschlüsse geben werde. In der Stadt Zürich gibt es aber rund 200.000 Haushalte. Demnach würden nur etwa 10 Prozent vom EWZ-Glasfasernetz profitieren.

Die Befürworter des "Überparteilichen Komitees Ja zum ewz-Breitbandnetz" halten dagegen, sie rechneten damit, dass sich im Durchschnitt jedes fünfte Unternehmen und jeder fünfte Haushalt für einen Anschluss am Glasfasernetz des ewz entscheide. Demnach, argumentieren die Befürworter, könne das ewz innerhalb von zehn Jahren rund 5000 Unternehmen und 20.000 private Haushalte an das Breitbandnetz anschließen. "Für den Businessplan rechnet das ewz hier also mit dem effektiv genutzten Marktpotenzial. Nach zehn Jahren ist jedoch das theoretische Anschlusspotenzial fünf Mal größer, nämlich 25.000 Unternehmen und 100.000 – oder die Hälfte aller Stadtzürcher privaten Haushalte", heißt es in einer Mitteilung des Komitees.

Die Investitionen für den Auf- und Ausbau des ewz-Glasfasernetzes in Höhe von 200 Millionen Franken sollen aus Rücklagen des ewz finanziert werden. Eine Quersubventionierung aus den Stromgebühren aller Kunden werde ausgeschlossen, betonen die erfolgreichen Initiatoren der angenommenen Stimmvorlage. Von verschiedenen Seiten wurde in den vorangegangenen Abstimmungsdiskussionen auch der Vorwurf der Verschleuderung von Steuergeldern oder Stromgebühren erhoben.

Das ewz setzt bereits seit 20 Jahren Glasfasertechnik für eigene Datenverbindungen ein und nutzt das vorhandene Glasfasernetz seit zehn Jahren auch für Dritte (etwa die Informatik der Stadtverwaltung, die die verschiedenen Betriebe und Gebäude der Stadt vernetzt). Das ewz, erklärte die Firma, könne "das Breitbandnetz günstiger aufbauen als andere Netzbetreiber, da die bestehenden Kanäle und Röhren genutzt werden. Das Nutzen von bestehenden Kanälen bedeutet weniger Baustellen in der Stadt Zürich."

Welche Diensteanbieter das nun auszubauende Glasfasernetz der ewz nutzen werden, ist noch unklar. Laut Aussagen von Stadtrat Türler gegenüber dem Zürcher Tages-Anzeiger habe man mit Telekommunikationsfirmen gesprochen, die über kein eigenes Kabelnetz verfügen. Die Glasfaserinfrastruktur solle, betonte die ewz, an diejenigen vermietet werden, die entsprechende Leitungen anfordern – auch Telekommunikationsanbietern wie Swisscom, sunrise, Tele2 oder Orange. Ziel des ewz sei es, die Infrastruktur allen Kommunikationsleistungen anbietenden Unternehmen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, um so den Wettbewerb entscheiden zu lassen. Die ewz will aber keinesfalls selbst als Anbieter von Diensten auftreten. (Tom Sperlich) / (jk)