Verwanzte Mülltonnen

In Großbritannien haben einige Kommunen heimlich RFID-Chips an Mülltonnen angebracht.

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Von
  • Florian Rötzer

Eine halbe Million von RFID-Chips sollen von einigen Kommunalverwaltungen in Großbritannien an Mülltonnen angebracht worden sein – und das meist ohne Wissen der Bürger und ohne Aussprache in den zuständigen Gremien. Das sorgt für Unruhe; zum Eklat trug auch bei, dass die Chips zur Überwachung ausgerechnet aus Deutschland stammen: von den Firmen Sulo und deister electronic. Die Mail on Sunday, die unter der Schlagzeile "Deutsche verwanzen unsere Mülltonnen" zuerst darüber berichtete, argwöhnt, dass mit den Chips der Inhalt der Mülltonnen überprüft werden könnte. So ließen sich beispielsweise Abgaben erheben, wenn zu viele Gegenstände in den normalen Mülltonnen enthalten seien, die in den Recycling-Müll gehörten.

Man wolle die Effizienz verbessern und erkennen, wann welche Tonne geleert wurde, wird als offizieller Grund für den Einsatz der RFID-Chips genannt, die am Deckel angebracht sind. Außerdem wolle man Nachbarschaftsstreitigkeiten darüber vermeiden, wem eine Tonne gehöre. Vermutlich wird aber auch bei solchen Müllwagen, die mit einer Waage ausgestattet sind, das Gewicht des Abfalls ermittelt: Wird die Tonne vom Hebemechanismus des Müllwagens in die Höhe gehievt, dann passiert sie eine Antenne, welche die im Chip gespeicherte Seriennummer liest. Die Daten werden dann auf der Müllstation an eine zentrale Datenbank in der Verwaltung weitergegeben. So könnte in Zukunft für jeden Haushalt eine genaue Müllmenge in Rechnung gestellt werden.

Der britische Umweltminister hatte schon angedeutet, dass man über Pläne nachdenke, nach der Müllmenge gestaffelte Abgaben zu erheben. Britische Gemeinden müssen die EU-Richtlinie zur Ablagerung von Müll auf Deponien umsetzen, wenn sie nicht Strafgebühren zahlen wollen. Der britische Kommunalverband hatte sich daher an die Regierung gewandt und darum gebeten, gestaffelte Preise verlangen zu können, weil die Menschen den Müll zu wenig trennen. Das Institute for Public Policy Research hat derweil empfohlen, den Kommunalverwaltungen die Möglichkeit zu geben, eine "Pay-as-you-throw"-Gebühr für nicht-recyclebaren Müll zu erheben. Großbritannien liegt in Europa zusammen mit Griechenland und Portugal ganz hinten, was die Mülltrennung angeht. Als Vorbild betrachtet das Institut beispielsweise die Niederlande, Österreich und Deutschland. Während in Deutschland durchschnittlich 58 Prozent des Mülls recycelt werde, seien es in Großbritannien gerade einmal 18 Prozent.

Bürgerrechtler wie Simon Davies von Privacy International warnen vor dem Anbringen der RFID-Chips. Wenn die Menschen dies einmal akzeptierten, gebe es kein Zurück mehr. Auch der konservative Abgeordnete Andrew Pelling kritisiert, dass nicht einmal in der Sowjetunion solche Eingriffe in das persönliche Leben vorgekommen seien. Man müsse die Menschen überzeugen und sie nicht ausspionieren. Überdies könnten Kriminelle sich in die Datenbank hacken und so an den Müllmengen sehen, in welchen Haushalten die Bewohner im Urlaub sind.

Siehe dazu in Telepolis: (fr)