Beschwerde gegen Kinderporno-Fahndung geht in die nächste Instanz

Nachdem das Amtsgericht Halle die Beschwerde des Düsseldorfer Rechtsanwalts Udo Vetter gegen die millionenfache Überprüfung von Kreditkartendaten zurückgewiesen hat, will der Jurist in die nächste Instanz und notfalls bis nach Karlsruhe gehen.

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Die Beschwerde des Düsseldorfer Rechtsanwalts Udo Vetter gegen den Abgleich von Millionen von Kreditkarten im Rahmen einer Kinderporno-Ermittlung hat das Amtsgericht Halle zurückgewiesen. Es handelte sich bei der Aktion um keine Rasterfahndung, heißt es in dem Beschluss des Richters, die Datenabfrage der Staatsanwaltschaft Halle bei deutschen Kreditkartenunternehmen sei rechtmäßig gewesen. Nach Informationen der dpa hat auch das Amtsgericht Karlsruhe in einem weiteren Beschwerdefall so entschieden. Zwei Monate nach der "Operation Mikado" hat das Amtsgericht in Halle noch über mehr als 20 ähnliche Beschwerden zu entscheiden. "Jeder einzelne Antrag wird geprüft", sagte Gerichtssprecher Werner Budtke am Dienstag. Mit weiteren Entscheidungen sei voraussichtlich im Verlauf der nächsten 14 Tage zu rechnen.

Fahnder des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt und der Staatsanwaltschaft Halle hatten im Rahmen der im Januar bekannt gewordenen Aktion "Mikado" bundesweit mehr als 320 der Pädophilie Verdächtige ermittelt, die von einem illegalen Internetportal gegen Bezahlung Kinderpornos heruntergeladen hatten. Auf die Spur der deutschen Kunden kamen die Fahnder bei der Überprüfung von 20 Millionen Kreditkartenbesitzern auf bestimmte Transaktionen. Dies ist nach Ansicht Vetters zumindest unverhältnismäßig, wenn nicht gar rechtswidrig. Dem Juristen fehlt zuerst der begründete Anfangsverdacht, der die Aufnahme der Ermittlungen erlaubt hätte. Die Fahnder hätten einfach "ins Blaue hinein" unterstellt, dass sich auch Deutsche unter den Kunden befinden müssten. Wolle man von der bloßen Existenz einer illegalen Website künftig einen hinreichenden Tatverdacht gegen mögliche deutsche Nutzer herleiten, werde der andauernden Überprüfung des gesamten Zahlungsverkehrs aller Bundesbürger Tür und Tor geöffnet.

Darüber hinaus ist Vetter der Überzeugung, dass es sich bei der umstrittenen Aktion um eine Rasterfahndung handelte, die einer richterlichen Anordnung bedurft hätte. Die Staatsanwaltschaft Halle hatte stets betont, dass es sich angesichts der präzisen Kriterien um eine begrenzte Abfrage gehandelt habe. "Es war keine Rasterfahndung", erklärte der leitende Oberstaatsanwalt Peter Vogt gegenüber heise online. Dem widerspricht Vetter im Interview mit Telepolis: "Wer die Rasterfahndung verneint, liest Dinge ins Gesetz, die dort so nicht stehen." Nach Vetters Auslegung liegt eine Rasterfahndung im Sinne des § 98a Strafprozessordnung dann vor, wenn personenbezogene Merkmale mit anderen Daten abgeglichen werden, die auf den Täter wahrscheinlich zutreffen. "Deshalb hätte ein Richter gefragt werden müssen. Und dieser hätte die Fahndung nicht genehmigt, weil die Voraussetzungen einer Straftat von erheblichem Gewicht nicht vorlag und die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt war."

Das AG Halle wollte dem Antrag so nicht folgen. Von einer Rasterfahndung könne nicht die Rede sein, weil "nicht die herausgefilterten Datenbestände mehrerer Speicherstellen maschinell abgeglichen" worden seien, sondern von den Kreditkartenunternehmen "nur ein, den vorgegebenen Suchkriterien entsprechender, Datensatz" überprüft wurde. Auch bestätigte der Richter einen "zumindest vertretbaren" Anfangsverdacht. Allerdings wies er ausdrücklich darauf hin, das sich "die Annahme des Anfangsverdachts auf niedrigster Verdachtsstufe" gehandelt habe und es nur einen "schmalen Grat zwischen Anfangsverdacht und Generalverdacht" gebe. Insbesondere gab das Gericht zu bedenken, dass die Maßnahme nach der derzeitigen Gesetzeslage zwar nicht zu beanstanden sei, doch würden sich für ähnliche Ermittlungen weitere Anforderungen ergeben. So müsse sichergestellt sein, dass Unverdächtige nicht über das in diesem Fall vorhanden Maß in ihren Rechten betroffen würden. Die Staatsanwaltschaft müsse jeden Anfangsverdacht gewissenhaft prüfen und dürfe dies nicht "wie in der Praxis durchaus üblich" der Polizei überlassen. Angesichts der Entwicklungen müsse gegebenenfalls der Gesetzgeber mit verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für einen effektiven Grundrechteschutz sorgen und bei "Fehlentwicklungen" auf Ermittlerseite notfalls "korrigierend eingreifen".

Die Staatsanwaltschaft Halle begrüßte die Entscheidung. Rechtsanwalt Vetter hat gegen den Bescheid, von dem er erst aus den Medien erfahren hatte, sofort Beschwerde eingelegt. Auch wenn er die Entscheidung des Amtsgerichts für falsch hält, zeigte er sich von der Begründung überrascht. Der Richter habe sich durchaus kritisch und problembewusst gezeigt, sagte Vetter gegenüber heise online. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten sich hart an dem vom Richter angesprochenen Generalverdacht bewegt. "Mit einer nuanciert anderen Bewertung der Argumente hätte der Richter auch anders entscheiden können", zeigt sich Vetter selbstbewusst für die nächste Instanz. Der Anwalt will die Frage endgültig geklärt wissen. Jetzt muss zunächst das Landgericht über seine Beschwerde entscheiden. Aber auch den Gang vors Verfassungsgericht schließt Vetter nicht aus.

Unterdessen scheinen die Ermittlungen gegen den oder die Anbieter hinter der Kinderporno-Website ins Stocken geraten zu sein – zumindest auf Seiten der deutschen Behörden. Zum Zeitpunkt der öffentlichkeitswirksamen Vorstellung des Fahndungserfolgs waren die Spuren nach Angaben der Ermittler auf den Philippinen versandet. Nach Informationen von heise online verfolgen die deutschen Behörden den oder die Drahtzieher aus einem ganz anderen Grund nicht mehr: Amerikanische Fahnder, darunter Beamte der US-Zollbehörde, sind den Kinderporno-Händlern ebenfalls auf den Fersen und haben die Deutschen um Zurückhaltung gebeten, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Zur Aktion gegen Kinderpornografie im Internet und zur Überprüfung der Kreditkartendaten siehe auch: