Ehemalige Lycos-Schmalbandkunden werden zur Kasse gebeten

Nachdem Lycos den Zugangsdienst Comundo verkauft hat, sollen die ehemaligen Kunden, die den Zugang weiter nutzten, plötzlich rund zehn Mal so hohe Gebühren entrichten.

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Von
  • Urs Mansmann

Beim Verkauf des Lycos-Zugangsdienstes Comundo an die Paixas GmbH für rund 500.000 Euro hat sich Lycos jede Menge Ärger eingehandelt. Ehemalige Kunden klagen über überhöhte Rechnungen, die rund das Zehnfache des erwarteten Betrages ausmachen. Das liegt daran, dass inzwischen die Comundo Internet GmbH das Zugangsgeschäft von Paixas übernommen hat und die von Lycos gut eingeführten Einwahlnummern mit neuen Tarifen weiterbetreibt. Informiert wurden die Kunden über die plötzliche und drastische Erhöhung nicht. Die neuen Preise findet man auf der Website der Comundo Internet GmbH – ein wenig versteckt unter dem Menüpunkt "weitere Tarife".

Dort heißt es lapidar: "Bei Comundo neu registrierte Nutzer werden zum jeweils vereinbarten Preis abgerechnet. Sofern eine Registrierung beim vorherigen Betreiber Lycos Europe vorlag, wurde diese nicht an uns übergeben. Sie werden wie ein nicht registrierter User zu den jeweils gültigen Bedingungen abgerechnet. Als Benutzername vor dem Realm (z.B. "@lycos") können beliebige Namen gewählt werden. Alle oben genannten Tarife werden für unregistrierte Nutzer ab dem 19.05.2007 mit 9,99 Cent/Min. zzgl. 9,99 Cent Verbindungsentgelt bei einer 300/300 Taktung abgerechnet. Es wird ein monatlicher Mindestumsatz von 5 Euro fällig."

Erste Amtshandlung der Comundo Internet GmbH nach der Übernahme der Lycos-Kunden war also offensichtlich, den bisherigen Verbindungspreis drastisch zu erhöhen. Jede Einwahl kostet nun 9,99 Cent, abgerechnet wird die Verbindung in Fünf-Minuten-Schritten zu jeweils 49,95 Cent. Das trifft auch Vertragskunden, die eigentlich genau vor solchen Tarif-Spielchen geschützt sein sollten, denn die Comundo Internet GmbH hat zwar die Daten der Kunden übermittelt bekommen, jedoch in anonymisierter Form. Zwischen Vertrags- und Internet-by-Call-Kunden von Lycos kann Comundo nach eigenen Angaben also nicht unterscheiden und kassiert beide unterschiedslos ab.

heise-online-Leser Olaf L. beispielsweise bekam Anfang Juni eine Rechnung von Lycos. Diese enthielt einen fettgedruckten "wichtigen Hinweis": Die Comundo Internet GmbH habe den Dienst rückwirkend zum 1. Mai von Lycos übernommen und werde künftig der Ansprechpartner sein, die vorliegende Rechnung sei die letzte von Lycos. Weiter heißt es: "Wenn Sie sich nicht neu bei Comundo registrieren, erhalten Sie Ihre nächste Rechnung bequem zusammen mit Ihrer Telefonrechnung."

Änderungen und Preiserhöhungen für Comundo-Vertragskunden muss Lycos den uns vorliegenden AGB zufolge mit einem Monat Vorlauf mitteilen und den Kunden auf sein Widerspruchsrecht hinweisen. Das erfolgte in einer E-Mail eine Woche zuvor, in dem der Kunde offiziell über den Vertragsübergang unterrichtet wurde. Da der Vertrag auf die Comundo übergeht, wenn der Kunde dem nicht widerspricht, ist Comundo natürlich auch an alle Pflichten daraus gebunden, unter anderem der rechtzeitigen Bekanntgabe von Preisänderungen.

L. surfte also munter weiter, hatte er doch einen Vertrag, der ihn vor unangenehmen Überraschungen schützen sollte. Das böse Erwachen kam mit der Telekom-Rechnung. Statt erwarteter 3,91 Euro soll er nun 42,35 Euro bezahlen, mithin mehr als das Zehnfache. Der auf der Telekom-Rechnung aufgeführte Betrag wird allerdings nicht etwa von Comundo, sondern von Lycos in Rechnung gestellt.

Dass Lycos die Rechnung stelle, habe rechtliche Gründe, beteuert das Unternehmen: "Die T-Com muss der Übertragung der Rechnungsstellung auf ein anderes Unternehmen zustimmen, das dauert ein wenig", so Fred Wilsdorf, Chief Financial Officer Lycos-Europe. Die Forderung selbst mache Lycos sich damit nicht zu eigen, man habe auch keinerlei Einfluss darauf.

Für die ehemaligen Vertragskunden von Lycos bedeutet das nun möglicherweise massiven Ärger. Wer zwecks Klärung die im Impressum angegebene 0900-Hotline-Nummer der Comundo wählt, gelangt in eine Warteschleife und darf sich dort eine automatische Ansage anhören, die hauptsächlich Textpassagen von der Website zitiert – zu 1,99 Euro pro Minute. heise online konnte trotz mehrerer Versuche niemanden unter der angegeben Nummer erreichen. Offenbar kann man sich bei Comundo aber schon denken, warum die Kunden anrufen: Unter anderem wird in der Ansage angekündigt, nicht beglichene Rechnungen direkt nach Fälligkeit an ein Inkassounternehmen weiterzugeben.

Für Kunden ohne Vertrag sieht es bezüglich der überhöhten Rechnung schlecht aus, denn die schließen bei jeder Einwahl einen neuen Vertrag ab und müssen sich vor jeder Einwahl über die aktuellen Preise informieren. Die Bequemlichkeit der Kunden wird schon seit Jahren weidlich ausgenutzt, plötzliche Preiserhöhungen ohne Vorankündigung um mehr als das Zehnfache sind im Internet-by-Call-Markt ein gängiges Modell zur Kundenabzocke. Neu ist indes, dass auch Vertragskunden eines gut eingeführten und großen Unternehmens Opfer solcher Machenschaften werden.

Die Vertragskunden von Lycos haben zwar deutlich bessere Karten, müssen sich aber letztlich möglicherweise mit der Comundo Internet GmbH auseinandersetzen. Die wird auf Bezahlung pochen, Lycos wiederum verweist darauf, dass man auf die Preisgestaltung von Comundo keinen Einfluss habe. Dass Lycos das schnelle Geschäft offenbar nicht durch eine Klausel im Vertrag unmöglich gemacht hat, die solche Tarif-Spielchen verbietet, ist vor diesem Hintergrund zumindest ein wenig blauäugig.

Lycos sieht sich selbst als Opfer des Geschäftsgebarens von Comundo: "Lycos Europe GmbH hat seit dem 1. Mai 2007 keinen Einfuß mehr auf die Preispolitik des übertragenen Schmalbandgeschäftes. Aus diesem Grund bitten wir, entsprechende Anfragen an die Paixas GmbH zu richten", so Lycos-Finanzchef Wilsdorf. Weiter heißt es: "Zum Zeitpunkt des Verkaufs lagen Lycos Europe keinerlei Informationen über geplante Preiserhöhungen durch Paixas vor." Lycos bedauert, dass die Übernahme für die Kunden solche Konsequenzen hatte. "Wir prüfen derzeit sehr genau, wie das Geschäft nach der Übernahme geführt wurde", versichert Wilsdorf. "Wie die Sache gelaufen ist, passt uns ganz und gar nicht. Wir befürchten dadurch einen Imageschaden und haben aber auf jeden Fall einen erhöhten Betreuungsaufwand."

Natürlich wollten wir auch mit Paixas und der Comundo Internet GmbH sprechen, unter den angegebenen 0900-Rufnummern erreichten wir aber niemanden. Ein telefonischer Kontakt zu einem Gesprächspartner der Comundo wurde von der Paixas per E-Mail erst für kommende Woche in Aussicht gestellt. Paixas verweist darauf, dass Comundo den Dienst übernommen habe. Wie unabhängig voneinander die beiden Unternehmen sind, wird bei einem Blick ins Impressum deutlich. Die Geschäftsführerin der offiziell in München residierenden Paixas GmbH, Melanie Betforth, gibt eine ladungsfähige Adresse in Steinhagen an. Dort ist auch der Sitz einer weiteren Unternehmung des Comundo-Geschäftsführers Markus Betforth. (uma)