WM 2006: politische Würstchen, Schals und gute Laune

Um das Verfahren zur Akkreditierung von Journalisten, Arbeitern und Helfern für die Fußball-WM gibt es Streit wegen datenschutzrechtlicher Bedenken; in Leipzig ist aber kurz vor dem Start der Auslosung der Gruppengegner erst einmal gute Laune angesagt.

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Von
  • Detlef Borchers

Vor der Auslosung der Gruppengegner zur Fußball-WM 2006 ist in Leipzig die Stimmung ausgesprochen lustig: Zwischen all den Weihnachtsbuden laufen viele Menschen herum, denen am grünen Bändchen die FIFA-Akkreditierungen über den Bäuchen hängen. Warum sie diese fast schlabberlatzgroßen Ausweise nicht abnehmen, wird ihr Geheimnis bleiben. Wahrscheinlich ist es der Stolz, zur großen Welt der Kicker zu gehören und zumindest die Akkreditierung geschafft zu haben. Sie geht zwar, wie dies die FIFA vom technischen Dienstleister Avaya verlangt hatte, in 10 Minuten über die Bühne, doch ist in dieser Zeit nicht das Vorrücken in der Warteschlange enthalten. 2000 Journalisten wollen darüber berichten, wie Promis in Töpfe greifen und das Schicksal von Fußball-Nationen bestimmen, ein Vorgang, den einfache Spielleiter-Programme auf dem PC in wenigen Minuten erledigt hätten.

Alle Journalisten akkreditieren sich freiwillig, was man von den vielen Helfern und Arbeitern rund um die Show nicht sagen kann. Entsprechend protestiert das unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein gegen die Akkreditierung, die zur WM noch umfangreicher ausfallen wird. Da werden mindestens 250.000 Menschen durchleuchtet, die in den verschiedenen Sicherheitszonen arbeiten müssen. So heißt es in der Erklärung zur Akkreditierungspraxis: "Die gesetzlichen Vorschriften sehen Sicherheitsüberprüfungen bei Großveranstaltungen nicht vor. Auch die Einwilligung der Betroffenen kann nicht ausreichen, ihr fehlt die Freiwilligkeit. Dies gilt insbesondere bei Abhängigkeiten wie in Arbeitsverhältnissen. Ein Arbeitnehmer, der vor der Alternative steht, seinen Arbeitsplatz zu verlieren oder einer Datei-Durchleuchtung zuzustimmen, willigt nicht freiwillig in seine Sicherheitsüberprüfung ein. Selbst Journalisten, die bei der WM ihren Beruf ausüben wollen, bekommen nur Zutritt, wenn sie sich von Polizei und Verfassungsschutz überprüfen lassen." Dramatisch sind die Folgen weniger für die Journalisten, sondern für die Würstchenverkäufer, die in einigen Ausnahmefällen wie in Nürnberg trotz Sponsoring von McDonald im Einsatz sind: "Das Verfahren kann Handwerker oder Würstchenverkäufer treffen, die in der Vergangenheit durch politisches Engagement aufgefallen sind. Ungesicherte Verdachtsdaten von Polizei oder Geheimdiensten genügen für eine Ablehnung", heißt es aus Schleswig-Holstein.

Die harte Linie der FIFA, die ihre Top-Sponsoren schützt, die jeder mindestens 40 Millionen Euro zur WM spenden mussten, ist neben dem Scharwenzeln von A-, B-, C-, D- und E-Promis das Gesprächsthema in der Stadt. "Fastelovendfoßballspill" steht auf einem Schal, mit dem die Stadt Köln auf ihrem Stand auf der Leipziger Messe werben wollte. Dort werben alle 12 "FIFA-WM2006-Städte" (eine andere Bezeichnung ist unzulässig) für ihren Ort. Da das kölsche Wort nicht offiziell von der FIFA lizensiert wurde, ist der schwer verständliche Schal zunächst verboten. Inzwischen ist er von der FIFA ausnahmsweise als Gastgeschenk erlaubt, doch längst vergriffen. Ein gutes Schnäppchen hat die Messe Leipzig gemacht: Sie kaufte die komplette IP-Kommunikationsanlage, die 40 Techniker von Avaya für die Gruppenauslosung und die Akkreditierung zur Auslosung aufgebaut haben.

Wer keine Karten zur Gala-Auslosung hat, muss draußen bleiben. Glühweinfans mögen die Veranstaltung vor einer Großleinwand verfolgen, der Rest fläzt sich vor dem Fernseher. Das so genannte "Public Viewing" vor den Leinwänden dürfte eines der größten Probleme der kommenden WM sein, weil die Veranstalter selbst für die Sicherheit sorgen müssen. Dafür dürfen sie aber keine eigene Sicherheitsgebühr erheben, weil dann das Viewing als kommerzielle Großveranstaltung polizeilich abgenommen werden müsste. Die Polizei hat aber anderes zu tun, besonders in den WM-Orten. "Leute, sauft für eure Sicherheit", schlug ein frustrierter Veranstalter als Slogan in Leipzig vor. Auch die Gewerkschaft der Polizei äußerte Bedenken: "Für die große Anzahl öffentlicher Fußballübertragungen im ganzen Land gibt es bis jetzt kein Sicherheitskonzept. Die Polizei wird nicht in der Lage sein, neben den Einsätzen an den Spielorten überall im Land ausreichend präsent zu sein." Inmitten der gutgelaunten, friedlich auf die Auslosung wartenden Leipziger hört sich die Warnung wie ein trauriges Weihnachtsmärchen an.

Zu Technik und Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)