High End 2012: Röhren, Vinyl und Streaming Clients

Auf der "audiophilen" Messe in München soll zusammenwachsen, was nicht zusammen gehört: Die PC-Technik habe endlich "den Durchbruch" in die Welt der Gold-Ohren geschafft, sagen die Aussteller.

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Von
  • Peter Tiefenthaler

In der High-End-Welt ticken die Uhren langsamer als in der schnellebigen IT-Welt. Aber immerhin: USB hat sich inzwischen etabliert.

Apples Produkte haben bereits in den erlesenen Kreis der High-End-Verstärker Einlass gefunden, Android-Geräte verschmähen die Gold-Ohren noch.

Mit etwa 14.000 erwarteten Besuchern und 360 Ausstellern, mehr als die Hälfte davon aus dem Ausland, gehört die High End in München zwar zu den kleineren Messen, ist jedoch international bedeutend für den Nischenmarkt der „Crème de la Crème der hochwertigen Unterhaltungselektronik" (Pressetext). Gehörten die Stereoanlage im Wohnzimmer und der PC im Arbeitszimmer die längste Zeit zu zwei verschiedenen Welten, so wächst nun zusammen, was in der Vorstellung von Klangfetischisten nie zusammengehört hat.

Chromblitzende Plattenspieler, filigrane Tonarme und heimelig glimmende Röhren allenthalben könnten dem unbefangenen Messe-Besucher den Eindruck vermitteln, Vinyl-Schallplatten und Röhrenverstärker seien die Technologien der Zukunft in der Unterhaltungselektronik. Auf den wenigen Ständen, die Tonträger anbieten, dominieren unübersehbar Schallplatten – nicht etwa nur Gebrauchtware und „audiophile" Neuauflagen wie in früheren Jahren, sondern zunehmend auch neue Produktionen, die oft zusammen mit der gleichen CD angeboten werden.

Doch dieser Eindruck täuscht. Wie alle einschlägigen Hersteller der Branche einhellig bestätigen, ist „in diesem Jahr der Durchbruch erreicht", und analoge und digitale Welt sind in der neuen Generation von Verstärkern oder Receivern endlich zum Mediencenter zusammengewachsen (auch wenn dieser Begriff so gut wie nie auftaucht). So zeigen die Frontplatten der meisten Geräte noch das vertraute (edle und teure) Erscheinungsbild, doch auf den Rückseiten findet man neben den üblichen schwervergoldeten Cinch- und Lautsprecherbuchsen zumindest einen USB- und meist auch einen Ethernet-Anschluss, oder sogar eine WLAN-Antenne.

Als Luxus-Bedienoberfläche oder Zuspieler werden gerne iPhone oder iPad eingesetzt (nur selten Android-Geräte), die entweder direkt an die Anlagen andocken oder per WLAN und App mit ihnen verbunden werden. Auch in der Messtechnik für Heimanwendungen werden die Apple-Geräte (mit aufgesteckten Messmikrophonen) als Steuerungs- und Anzeigeinstrumente eingesetzt, wie etwa für die Darstellung von Frequenzgängen oder als Einstellhilfe für Tonarme.

Von Apple hat die Hifi-Branche offensichtlich auch gelernt, nicht die Technik sondern die Anwendung in den Vordergrund zu stellen. Denn während bislang selbst die unbedeutendste technische Verbesserung als Quantensprung gefeiert wurde, wird dieser „Paradigmenwechsel" der Verschmelzung von Audiotechnik und PC erstaunlich diskret behandelt. Häufig erwähnt wird nur USB (vermutlich weil für einfache Konnektivität bekannt). Ansonsten werden Begriffe, die aus dem PC-Bereich stammen, wie etwa Streaming Client, oder Mediacenter, sehr zurückhaltend verwendet, selbst wenn sie angebracht sind – von Multimedia ist praktisch nichts zu hören.

Mit gutem Grund, wie Hersteller hinter vorgehaltener Hand einräumen. Denn einerseits hat die Digitaltechnik bei den zahlungskräftigen „goldenen Ohren", die bereit sind, schon für ein „audiophiles" Netzkabel mehrere 1000 Euro zu berappen, keinen allzu guten Klang (im wörtlichen Sinn). Andererseits soll der leidgeprüfte PC-Anwender, der sich seit Jahren mit Updates und Inkompatibilitäten ärgern muss, nicht darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihm nun die gleichen Probleme mit der neuen Stereoanlage ins Haus stehen. Einen Vorgeschmack davon kann man schon bei Vorführgeräten bekommen, wenn etwa Napster als Signalquelle eines implementierten Internet-Radios im Auswahlmenu eines Receivers angeboten wird, wegen geänderter Lizenzbedingungen dann aber nicht aufrufbar ist. Das Wort Firmware-Update ist jedenfalls auf der High End (noch) unbekannt.

Heimkinoanlagen und riesige 3D-LCD-Fernseher, die in früheren Jahren zu den Highlights zählten, sind diesmal nur spärlich vertreten, abgesehen vom neuen 4K-Projektor von Sony ist hier praktisch nichts neues zu finden. Diese Geräte sind offensichtlich dem Nischenmarkt bereits entwachsen und werden dann auf der IFA dem Massenpublikum vorgestellt.

Auch bei Lautsprechern sind echte Neuerungen rar. Der aus dem Profibereich bekannte Hersteller Genelec stellte eine Reihe von Aktivboxen fürs Wohnzimmer vor, und die „üblichen Verdächtigen" präsentieren ihre Boxen im Gefrierschrank-Format (oder größer). Doch die Masse der vorgestellten Lautsprecher bilden die gewohnten Zweiweg-Boxen im Schuhkarton-Format in mehr oder weniger edlen Hölzern und „futuristischen" Formen und Designs.

Reichlich wie immer ist das Angebot von unseriösem bis absurdem „Voodoo-Zubehör". Lautsprecherkabel für mehrere tausend Euro (pro Meter) können teurer kommen als die angeschlossenen Lautsprecher, und für Zauberstäbe zur Klangberuhigung, magische Energieabsorber, audiophile Netzsicherungen und anderen Unfug kann man leicht mehr ausgeben als für eine gute Stereoanlage. (hag)