Bundesjustizministerium will Auskunftsanspruch gegen Provider schaffen

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sollen auch indirekt an Rechtsverletzungen Beteiligte verpflichtet werden, die Identität von Verdächtigen preiszugeben.

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Im Rahmen der Umsetzung der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sollen hierzulande auch indirekt an Rechtsverletzungen beteiligte Dritte verpflichtet werden, die Identität von Verdächtigen preiszugeben. Dies erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries am heutigen Montag bei der Vorstellung von Eckpunkten für eine entsprechende Gesetzesnovelle in Berlin. Die Schaffung eines solchen Auskunftsanspruchs etwa gegen Internetprovider gehört seit langem zu einem der am heftigsten umkämpften Punkte bei der Anpassung des Urheberrechts an die digitale Gesellschaft. Die vorgestellte Novelle soll es Konzernen etwa aus der Musik- und Filmindustrie nun einfacher möglich machen, in zivilrechtlichen Verfahren gegen illegales Filesharing vorzugehen.

"Wir haben in Deutschland schon einen Auskunftsanspruch, der sich im Moment aber noch auf Auskunft vom Verletzer beschränkt", erläuterte Zypries den Änderungsbedarf. "Künftig wird er auch gegen Dritte bestehen, die selbst nicht Verletzer sind." Die Post etwa müsse im Zweifel Informationen über die Einlieferer von Paketen mit Produktfälschungen herausrücken. Dies gelte aber auch "für die Durchleitung von Daten im Internet". Da Klagen gegen unbekannt im Zivilrecht nicht möglich seien, müssten die Rechteinhaber wissen, wer hinter einer IP-Adresse stecke. Nach dem Gesetzesentwurf sind Auskunftsansprüche gegen Dritte daher "bei Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung" beziehungsweise in einem bereits anhängigen Verfahren vorgesehen, wenn der Dienstleister "in gewerblichem Ausmaß" handelt.

Vor allem im Internet müsse aber die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gewahrt bleiben, betonte Zypries. "Nicht jeder kann einen Auskunftsanspruch gegen jede IP-Adresse erhalten", befand die SPD-Politikerin. Vielmehr bedürfe es dazu "eines gewichtigen Eingriffs" in die Urheberrechte. Eine konkrete Beschreibung dieser Messlatte etwa mit Datenmengen konnte Zypries nicht geben. Der Auskunftsanspruch greife aber etwa, wenn Rechtehalter sähen, "dass Leute in großen Mengen Musik runterladen". Angesichts des schweren Eingriffes auch in das Fernmeldegeheimnis der Nutzer bedürfe es dazu eines richterlichen Beschlusses. Eine entsprechende Anordnung können die sich um ihre Rechte geprellt Fühlenden zunächst auf eigene Kosten erwirken. Auch den Aufwand von Providern fürs Ausfindigmachen verdächtiger Rechtsverletzer muss der Antragsteller dem Entwurf nach erstatten.

Mit der geplanten Novelle sollen zahlreiche Gesetze rund um das geistige Eigentum wie etwa zum Patent-, Urheberrechts-, Gebrauchsmuster-, Marken- oder Halbleiterschutz weitgehend wortgleich geändert werden. Ziel ist es, Erfinder, Markeninhaber und Urheber besser in die Lage zu versetzen, "einen rechtmäßigen Gewinn" aus ihren Schöpfungen zu ziehen. Im Vordergrund steht die Bekämpfung der Produktpiraterie, die der Wirtschaft hierzulande laut Zypries "beträchtlichen Schaden" zufügt. Allein der Zoll habe an den Grenzen nach Deutschland 2004 gefälschte Waren im Wert von über 140 Millionen Euro beschlagnahmt. Laut Statistik kommen die meisten entsprechenden Lieferungen aus China, aber auch die USA sind in der Liste weit vorne vertreten. Schätzungen über den Gesamtschaden liegen laut Zypries bei einem Verlust von 25 Milliarden Euro pro Jahr. Es sei daher wichtig, den rechtlichen Schutz so zu erhöhen, "dass er auch den erweiterten technischen Möglichkeiten gerecht wird".

Eine wesentliche Änderung neben der Ausweitung des Auskunftsanspruches sieht vor, dass die Beschaffung von Beweismitteln bei der allein betroffenen zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung erleichtert werden soll. Bei "hinreichender Wahrscheinlichkeit" einer Rechtsverletzung müssten künftig auch "die Geplagten" bei der Aufklärung mithelfen, erläuterte Zypries. Auf Grund eines richterlichen Beschlusses müssten Verdächtige also etwa Urkunden vorlegen oder sogar Sachen in Augenschein nehmen lassen, mit denen Rechtsverletzungen vorgenommen wurden. Raimund Lutz, der für die Novelle zuständige Unterabteilungsleiter im Justizministerium, schloss gegenüber heise online aus, dass es sich dabei etwa um PCs handeln dürfe. Gemeint seien Maschinen, die zu einer Patentverletzung oder für die Produktpiraterie eingesetzt würden. Bei der Vermutung auf Rechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß erstrecken sich die Ansprüche der Kläger ferner auf die Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen.

Neu bemessen werden können soll zudem die Höhe des Schadensersatzes, die Rechtsinhaber geltend machen dürfen: Gemäß der Planungen wird sie sich künftig auf die Höhe der mit dem Verkauf von Fälschungen gemachten Einnahmen oder auf den potenziell mit dem Vertrieb von Lizenzen zu erwirtschaftenden Gewinn beziehen. Einen "kompensatorischen Schadensersatz", wie ihn die Richtlinie auch ermögliche, werde es aber nicht geben, sagte die Ministerin. Anders als in den USA könnten also keine Summen geltend gemacht werden, die um ein Vielfaches höher als der wirkliche Schaden liegen. Keine Änderung im deutschen Recht gibt es bei den Strafen für Schutzrechtsverletzungen: Sie bleiben bei maximal drei bei "einfachen" und fünf Jahren bei gewerblichen Vergehen. Eine Ergänzung ist im Markenrecht vorgesehen: Landestypische und geographische Ursprungsbezeichnungen wie "Spreewälder Gurken" sollen zivil- und strafrechtlich geschützt werden.

Der Referentenentwurf wird nun zunächst mit den beteiligten Ressorts der Bundesregierung und mit Verbänden besprochen. Eine Absegnung im Kabinett hält Zypries bereits "Anfang nächsten Jahres" für möglich -- gemeinsam mit einem Beschluss über den im Frühjahr liegen gebliebenen 2. Korb der umfassenderen Urheberrechtsnovelle. Dazu erklärte die Ministerin, dass "wir an der Bagatellklausel festhalten werden". Diese soll klarstellen, dass rechtswidrige Vervielfältigungen straffrei bleiben, wenn sie "nur in geringer Zahl und ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch" hergestellt werden. Die Entertainment-Industrie läuft seit langem Sturm gegen die Bestimmung. Bei der geplanten weiteren EU-Richtlinie auch zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sieht die Bundesregierung ferner insbesondere die geplante Einrichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen zwischen Industrie und Strafverfolgern "sehr kritisch", erläuterte Lutz. Ansonsten stünden dadurch aber kaum weitere Änderungen im deutschen Recht bevor. (Stefan Krempl) / (jk)