BKA sieht in Islamistenvideo einen "konkreten Hinweis" auf Terrorgefahr

Der bayerische Innenminister betrachtet die Sicherheitslage als "ernst" und ruft erneut zu "höchster Wachsamkeit" auf. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei meint, "jeder Verrückte kann im Netz zündeln und latent Terrorbereite aufstacheln".

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Von
  • Florian Rötzer

Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt laut Financial Times Deutschland (FTD) nach dem Video der Globalen Islamischen Medienfront (GIMF) vor einer hohen Anschlagsgefahr in Deutschland. In dem Video hatte die so genannte "Stimme des Kalifats" mit möglichen Anschlägen in Deutschland oder Österreich wegen der Truppen in Afghanistan und der Unterstützung des von der US-Regierung geführten Kriegs gedroht. Danach habe das BKA der Bundesregierung geraten, die Gefährdungseinschätzung heraufzusetzen.

Laut der BKA-Quelle müsse das Video als "konkreter Hinweis" gelten, islamistische Gruppen würden oft zunächst vor einem Angriff warnen. Allerdings wurde von den Sicherheitsbehörden noch nicht berichtet, dass konkrete Pläne für drohende Angriffe bekannt geworden seien. Man spricht von einer erhöhten abstrakten Gefährdung. Gleichzeitig wird aber über das Ernstnehmen des Videos die Bedeutung der Gruppe erhöht, die dahinter steht. Der Zweck der terroristischen Propaganda wird mit den Warnungen von Politikern und Medienberichten überhaupt erst wirklich erreicht.

Angenommen wird aufgrund der leidlich guten deutschen Übersetzung und der Kenntnis über die politische Situation in Deutschland und Österreich, die den Äußerungen des vermummten Sprechers zu entnehmen ist, dass Mitglieder der Gruppe hier leben. Nach Informationen der FTD sei das Video über einen Internetprovider in Thüringen von einer Person gepostet worden, die sich aber im Ausland aufgehalten habe. Wegen der Anspielung auf die Studiengebühren in Österreich wird auch vermutet, dass es sich um Studenten oder Uni-Mitarbeiter handeln könnte.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein hatte sich gestern hinter eine Rundmail der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität an alle Mitarbeiter gestellt, die dazu aufforderte "verdächtige Wahrnehmungen" zu melden. Andere bayerische Universitäten scheinen bislang dem Beispiel nicht gefolgt zu sein.

Heute verteidigte Beckstein auch noch seinen Aufruf an alle Bürger zur erhöhten Wachsamkeit und warf den Kritikern vor, dass sie die Sicherheitslage gefährden: "Angesichts der aktuellen und äußerst ernst zu nehmenden Terrordrohungen brauchen wir insgesamt in der Bevölkerung höchste Wachsamkeit. Das gilt in hohem Maße auch an den Hochschulen. Deshalb sollten an allen Hochschulen Auffälligkeiten, die auf Sicherheitsrisiken hindeuten, den Sicherheitsbehörden mitgeteilt werden." Der Aufruf zum Melden von verdächtigen Wahrnehmungen sei "weder ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit noch eine Form der Bespitzelung".

Den Oppositionspolitikern warf Beckstein vor, einen "Gegensatz zwischen Sicherheit und Weltoffenheit künstlich zu konstruieren". Das sei "falsch, verantwortungslos und realitätsblind". Beckstein erklärte, es liege eine "ernste Gefahr" vor. Zudem wisse man, dass islamistische Täter wie die Terrorzelle in Hamburg oft einen "universitären Bezug" haben. Beckstein verweist auch auf den Beschluss der Innenministerkonferenz nach den gescheiterten Anschlägen auf die Regionalzüge im vergangenen Jahr, wonach eine "Sensibilisierung der Hochschulen" notwendig sei: "Dieser IMK-Beschluss hat mit den jüngsten ernsten Terrordrohungen gegen Deutschland höchste Aktualität erlangt."

Auch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, sieht Deutschland mit dem Afghanistan-Einsatz mehr als je zuvor im "Visier des internationalen Terrorismus". Freiberg fordert wegen des Propaganda-Videos eine stärkere Kontrolle des Internet: "Auch wenn die Urheber des Videos möglicherweise keine Verbindungen zu den ursprünglichen Kommando-Strukturen von Al-Quaida haben, wächst durch solche Web-Seiten die Gefahr des Homegrown Terrorism. Jeder Verrückte kann im Netz zündeln und latent Terrorbereite aufstacheln. Deshalb muss das polizeiliche Personal zur Internetfahndung dringend aufgestockt werden."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier meint, hinter einer der beiden Internet-Drohungen des vergangenen Wochenendes gegen Deutschland könnten Trittbrettfahrer stecken. "Wir können nicht ausschließen, dass es auch Trittbrettfahrer sind, zumindest was das zweite Video angeht, die hier eine Eskalation in der innerdeutschen Diskussion fördern wollen", sagte Steinmeier heute laut dpa auf dem EU-ASEAN-Gipfel in Nürnberg. Steinmeier warnte aber vor verfrühten Schlussfolgerungen. "Wir können die Videos, die uns zugegangen sind über Internet, nicht wirklich genau zuordnen und insofern können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen, wer verantwortlich dafür ist." Zu dem FTD-Bericht äußerte sich Steinmeier nicht.

Unterdessen hat das US-Verteidigungsministerium das Geständnis des mutmaßlichen Drahtziehers der Attentate vom 11. September 2001, Chalid Scheich Mohammed veröffentlicht. Es ist in einem Protokoll einer Anhörung vor einem Militärtribunal im US-Lager Guantanamo auf Kuba vom vergangenen Freitag enthalten, das in zensierter Fassung veröffentlicht wurde. Demnach soll er einige weitere Pläne offenbart haben. (fr)