Microsoft blickt optimistisch in die Zukunft

Microsoft kann den Gewinn nahezu verdoppeln, erfüllt aber nicht ganz die eigenen Prognosen und profitiert unter anderem von niedrigeren Ausgaben für juristische Streitigkeiten. Für den weiteren Geschäftsverlauf erwartet man wieder stärkeres Wachstum.

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Von
  • Jürgen Kuri
Kann Microsoft eigentlich immer weiter zulegen? Eine spannende Frage, sowohl für Investoren und Konkurrenten als auch für Kunden und die Mitarbeiter. Für das dritte Quartal seines Geschäftsajahrs 2005 beantwortete der Softwarekonzern diese Frage eigentlich mit ja, wenn auch mit ein paar verbleibenden Fragezeichen. Zwar erreichte man beim Umsatz nicht mehr die 10-Milliarden-Schwelle wie im Vorquartal, konnte aber gegenüber dem Vorjahresquartal den Umsatz um 5 Prozent von 9,18 auf 9,62 Millarden US-Dollar steigern. Der Nettogewinn verdoppelte sich nahezu und kletterte von 1,32 Milliarden US-Dollar (12 Cents pro Aktie) auf 2,56 Milliarden US-Dollar (23 Cents je Aktie). Insgesamt allerdings lagen die Ergebnisse unter den Prognosen, die der Konzern bei der Vorlage der Bilanzen für das vorangegangene Quartal abgegeben hatte.
Gute Geschäfte mit Server-Software sowie mit der Spielkonsole Xbox machte Microsoft für die Steigerungen beim Umsatz verantwortlich; zentrale Bereiche der Produktpalette, die Client-und Office-Sparten, konnten aber kaum zulegen. Bei der Gewinnsteigerung haben sich laut Microsoft auch geringere Ausgaben für juristische Streitigkeiten (768 Millionen statt 2,53 Milliarden US-Dollar vor einem Jahr) niedergeschlagen -- dies, obwohl in Europa der Rechtsstreit mit der EU-Kommission wegen Wettbewerbsverletzungen noch lange nicht ausgestanden ist.
Scott Di Valerio, Vice President und Controller bei Microsoft, der für den ausgeschiedenen Finanzchef John Connors die Vorstellung der Bilanzen übernahm, da der neue CFO noch nicht im Amt ist, kommentierte das Zahlenwerk lapidar: Man habe im Großen und Ganzen im Rahmen der Erwartungen gelegen, trotz einer eher gemischten Situation bei den Firmenkunden. Für das weitere Geschäft wollte aber auch er etwas mehr Begeisterung zeigen: "Da wir für die Zukunft mit einem starken Produktportfolio und mit Wachstumschancen durch unsere Investitionen in innovative Produkte optimistisch sind, erwarten wir im Geschäftsjahr 2006 ein stärkeres Umsatzwachstum", meinte Valerio wohl auch unter Anspielung auf die nächste Windows-Version Longhorn, die 2006 herauskommen soll und um die Microsoft auf der WinHEC großen Wirbel veranstaltete.
Der Umsatz der Client-Sparte (alle Windows-Betriebssysteme für Desktop-Rechner) stieg marginal im Jahresvergleich von 2,923 auf 2,986 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn von 2,274 auf 2,339 Milliarden US-Dollar. Der Bereich Server and Tools (unter anderem Windows Server 2003, Exchange, Entwicklungswerkzeuge) konnte beim Umsatz stärker zulegen, beim Umsatz von 2,191 auf 2,445 Milliarden US-Dollar; der operative Gewinn kletterte hier von 616 auf 824 Millionen US-Dollar. Die Sparte Information Worker (etwa Microsoft Office) konnte im Unterschied zum zweiten Quartal wieder einen leichten Umsatzgewinn von 2,700 auf 2,767 Milliarden US-Dollar verzeichnen, der operative Gewinn kletterte von 1,954 auf 2,001 Milliarden US-Dollar.
In den Bereichen abseits des bisherigen Kerngeschäfts musste Microsoft beim Online-Dienst MSN einen leichten Rückschlag hinnehmen: Der Umsatz sank von 591 auf 564 Millionen US-Dollar, der operative Gewinn von 101 auf 100 Millionen US-Dollar -- immerhin aber scheint die Zeit der Verluste für diese Sparte nun endgültig ausgestanden. Die Sparte Home and Entertainment (unter anderem die Spielkonsole Xbox) konnte dagegen den Umsatz von 530 auf 593 Millionen US-Dollar steigern, der operative Verlust sank von 209 auf 154 Millionen US-Dollar. Hier setzt Microsoft natürlich darauf, dass die neue Gerneration Xbox 360, die am 12. Mai vorgestellt werden soll, die Geschäfte weiter ankurbelt und irgendwann auch einmal Gewinne anfallen.
Auf gutem Weg sieht Microsoft auch die Handy-und PDA-Sparte Mobile and Embedded Devices: Eine Umsatzsteigerung von 61 auf 80 Millionen US-Dollar ging einher mit der Reduzierung des operativen Verlusts von 36 auf 8 Millionen US-Dollar. Die Businesssoftware-Sparte, die gerade durch eine enge Kooperation mit SAP in die Schlagzeilen gelangte, konnte zwar ebenfalls den Umsatz steigern (von 179 auf 185 Millionen US-Dollar), dehnte aber die Verluste von 52 auf 54 Millionen US-Dollar leicht aus.
Der deferred revenue (bei Microsoft als unearned revenue geführt und im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannt, siehe dazu Microsoft erwartet schwierigere Geschäfte mit Firmenkunden) stellt für Microsoft ein wichtiges Indiz dar, wie das Geschäft mit Firmenkunden läuft und wie sich die Konkurrenz etwa aus dem Open-Source-Lager in diesem lukrativen Markt schlägt. Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die bei Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise bei länger laufenden Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, auf Grund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden. Für das dritte Quartal lag der deferred revenue, den Microsoft als Umsatz in der Bilanz verbuchen konnte, bei 3,212 Milliarden US-Dollar gegenüber 2,793 Milliarden US-Dollar im Vorjahresquartal und 3,354 Milliarden US-Dollar im Vorquartal. Der Bestand an später zu verbuchendem deferred revenue veränderte sich in den vergangenen Quartalen kaum, er lag bei 8,177 Millliarden US-Dollar zum Ende Juni 2004, ging auf 7,781 Milliarden US-Dollar zum Ende September 2004 zurück, kletterte wieder auf 7,966 Milliarden US-Dollar zum Ende Dezember 2004 und lag nun zum Ende März 2005 bei 7,941 Milliarden US-Dollar.
Die liquiden Mittel von Microsoft beliefen sich zum Ende des Quartals auf 37,6 Millliarden US-Dollar, zum Ende des Vorjahresquartals waren es noch 60,6 Milliarden US-Dollar. Allerdings hatte Microsoft in der Zwischenzeit mit Dividendenzahlungen die Aktionäre erfreut und große Aktienrückkaufprogramme aufgelegt. Im bisherigen Verlauf des Geschäftsjahrs habe man für 39 Milliarden US-Dollar eigene Aktien zurückgekauft; im dritten Quartal seien dafür 2,42 Milliarden US-Dollar ausgegeben worden.
Passend -- oder für die Microsoft-Manager eher unpassend -- zur Vorlage der Bilanzzahlen kam der Wirtschaftsbericht der US-Regierung, der mit 3,1 Prozent ein geringes Wachstum des Bruttosozialprodukts als erwartet auswies. Zusammen mit steigenden Zinsen interpretieren dies die Analysten als Hinweis darauf, dass die Wachstumsaussichten auch für Computer und Software nicht mehr so rosig aussehen, was auch die Erwartungen für die weiteren Microsoft-Geschäfte etwas dämpfte. Der Konzern selbst aber lässt sich davon vorerst nicht irritieren: Er erwartet für das vierte Quartal einen Umsatz zwischen 10,1 und 10,2 Milliarden US-Dollar und einen operativen Gewinn zwischen 4,1 und 4,2 Milliarden US-Dollar. Für das Gesamtjahr sollen zwischen 43,3 und 44,1 Milliarden US-Dollar Umsatz und 18,3 bis 18,9 Milliarden US-Dollar operativer Gewinn anfallen. Dies Prognose beruhigte die Börse dann doch trotz nicht ganz erfüllter Ziele im dritten Quartal: War der Kurs von Microsoft im Rahmen des offziellen Börsenhandels entsprechend der schlechten Stimmung an der NASDAQ um 2,16 Prozent gefallen, so legte die Aktie zu Beginn des nachbörslichen Handels um gut 0,8 Prozent zu.
Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.)
2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell