Schlappe für Microsoft im Streit um Handel mit Gebrauchtsoftware

Das Landgericht Hamburg untersagt dem Konzern, vor dem Kauf von gebrauchten OEM-Versionen zu warnen; das LG Berlin erklärt die Form der Durchsuchung der Geschäftsräume des Gebrauchtsoftware-Händlers NewXL für rechtswidrig.

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Von
  • Georg Schnurer

In seinem Feldzug gegen Gebrauchtsoftware-Händler musste Microsoft zwei empfindliche Niederlagen hinnehmen: In einem Beschluss vom 26. April 2012 (Az. 327 O 121/12) untersagte das Landgericht (LG) Hamburg dem Unternehmen, weiterhin vor dem Kauf, dem Verkauf und der Nutzung von Recovery-Datenträgern und OEM-Versionen im Zusammenhang mit Fälschungen und nicht lizenzierten Produkten zu warnen. Erwirkt hat diesen Beschluss die FBS Allgäu GmbH, ein in Altusried ansässiger Software-Händler, der unter anderem auch gebrauchte OEM-Versionen von Microsoft-Programmen anbietet. Auslöser war ein von der Microsoft-Managerin Dorothee Stolzenberg an Kunden und Partner versandtes Schreiben.

Verboten: Microsoft darf gebrauchte OEM-Software und Raubkopien nicht mehr in einen Topf werfen.

Die 27. Zivilkammer des LG Hamburg stellt klar, dass sie in der pauschalen Herabsetzung von echten Recovery-CDs eine Verletzung der Rechte der FBS Allbäu GmbH sieht (§ 4 Nr.7 UWG). Die Frage, ob die Verbreitung einer echten Recovery-CD getrennt vom PC unzulässig ist, sei zumindest unklar. Die bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) sprächen aber eher dafür, dass dies zulässig sei. Microsoft nahm die Unterlassungsverpflichtung an, beide Parteien erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Microsoft muss damit schon zum wiederholten Mal Warnschreiben gegen den vermeintlich illegalen Handel mit gebrauchten OEM-Versionen zurückziehen.

Weiter reichende Folgen für den Redmonder Konzern könnte ein Beschluss (Az. 526 Qs 10-11/12) des Landgerichts Berlin haben: Das Gericht hob am 3. Mai 2012 einen anderslautenden Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten (349 Gs 4598/11) auf und erklärte die Art und Weise, wie die NewXL GmbH, der Vorgänger von Softwarebilliger.de, durchsucht wurde, für rechtswidrig. Im Rahmen einer Ermittlung der Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen unerlaubten Vervielfältigung und Verbreitung von Microsoft-Programmen wurden am 25. August 2011 die Geschäftsräume des Unternehmens durchsucht. Dabei übernahm ein "sachverständiger Zeuge" eine tragende Rolle: Er bestimmte, welche Produkte beschlagnahmt wurden und welche nicht. Die zuständige Gerichtsvollzieherin war bei der eigentlichen Beschlagnahme-Aktion gar nicht mehr anwesend, bestätigten mehrere Zeugen.

Bei dem "sachverständigen Zeugen" handelt es sich nach Auffassung des Landgerichts Berlin nicht um eine neutrale Person, sondern um einen parteiischen Abhängigen der Anzeigeerstatterin. Er war einige Jahre ein führender Mitarbeiter von Microsoft Deutschland und arbeitet derzeit für die Creacom Dialog GmbH, die wiederum von Microsoft abhängig sei, da sie allein für dieses Unternehmen tätig werde. Da der "Sachverständige" regelmäßig zu von Microsoft initiierten Durchsuchungsaktionen hinzugezogen wurde, könnte dieses Urteil weitere Folgen auch für andere Verfahren um den vermeintlich illegalen Handel mit gebrauchten OEM-Lizenzen haben.

[Update] Die NewXL GmbH hat jetzt mit Verweis auf das Urteil des LG Berlin beim der Staatsanwaltschaft Berlin die Herausgabe sämtlicher im Rahmen der Durchsuchungsaktion beschlagnahmten Recovery-Datenträger beantragt. Dazu gehören gut 18.000 OEM-Recovery-DVDs, die inzwischen seit gut acht Monaten bei der Staatsanwaltschaft lagern, ohne dass diese als "gefälscht" identifiziert worden seien. Die Beschlagnahme dieser Datenträger sei im August 2011 lediglich auf Weisung des parteiischen Sachverständigen erfolgt, erklärte der Anwalt der NewXL GmbH in seinem Antrag. Eine eingehende Untersuchung der Datenträger sei weder bei der Beschlagnahme noch später erfolgt. Da Software nach so langer Zeit einen deutlichen Wertverlust erfahre, sei eine weitere Beschlagnahme unverhältnismäßig. Eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu diesem Antrag liegt bislang noch nicht vor. Man darf gespannt sein, wie sich die Behörde angesichts des eindeutigen Urteils des Landgerichts Berlin verhält. [Update] (gs)