Europa auf dem Weg zur Koregulierung der Wissensgesellschaft

Kann der Gesetzgeber in der Wissensgesellschaft eigentlich noch mithalten mit dem Tempo neuer technologischer Entwicklungen oder benötigt er neue Regulierungsformen für Hightech-Branchen?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 29 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Kann der Gesetzgeber in der Wissensgesellschaft eigentlich noch mithalten mit dem Tempo neuer technologischer Entwicklungen oder benötigt er neue Regulierungsformen für Hightech-Branchen? Aus Sicht der Anhänger der "Koregulierung" lautet die Antwort ja: Zunehmenden Spezialisierung des Wissens und wachsende Komplexität der Regulierungsgegenstände stehe schlicht im Gegensatz zum "allwissenden Staat" und der klassischen Top-Down-Regulierung. Eine von der EU-Kommission geförderte Studie unter Federführung des Hamburger Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg und des Instituts für Europäisches Medienrecht in Saarbrücken nimmt daher die verschiedenen Formen nicht-staatlicher Regulierung in den Mitgliedsstaaten unter die Lupe. In Brüssel stellten die Projektpartner einen ersten Zwischenbericht vor.

Noch ist man dabei, die neuen Regulierungsmodelle der Koregulierung oder so genannten "regulierten Selbstregulierung" zu sondieren und voneinander abzugrenzen. Für den Idealfall sehen solche Konzepte vor, dass eine bestimmte Branche oder ein bestimmter Bereich der Gesellschaft durch eigene Kontrollmechanismen und Prüfinstanzen eine Selbstregulierung gewährleistet. Nur zur Genehmigung der vorgesehenen Mechanismen und für den Fall, dass die Selbstregulierung versagt, greift eine Regulierung durch den Staat ein. Erste Ansätze zu einer Koregelurierung sieht in Deutschland beispielsweise das neue Jugendschutzrecht vor (Jugendmedienschutzstaatsvertrag   (JMStV) der Länder und Jugendschutzgesetz   (JuSCHG) des Bundes): Beispielsweise erhalten Branchenorganisationen wie die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) oder die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) die Zulassung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die ihre Arbeit auch überwacht.

"Damit man von Koregulierung sprechen kann, muss die entsprechende Regelung im Gesetz stehen und gleichzeitig muss es eine Brücke zwischen staatlicher Aufsicht und den Selbstregulierungsorganisationen geben", sagt EMR-Geschäftsführer Alexander Scheuer. Ob die Brücke lediglich in jährlichen Evaluationen besteht, ob Einzelfälle überprüft werden oder die Aufsicht noch stärker eingreift, variiert dabei ziemlich stark. "Manche Länder kennen zudem noch keinerlei Selbstregulierung, in anderen Ländern gibt es Bereiche, die komplett der Selbstregulierung überlassen sind, wie bei uns der Pressebereich."

Allen voran steht der deutsche Jugendmedienschutzstaatsvertrag mit auf dem Programm der Wissenschaftler, mit dem der deutsche Gesetzgeber vor zwei Jahren nicht nur ein komplexes Koregulierungsmodell auf den "Regulierungsmarkt" geworfen hat. Zugleich gab man sich die Aufgabe, "konvergent" -- das heißt über mehrere Medien hinweg -- zu regulieren, dabei knirscht es manchmal vernehmlich. Zwischen der staatlichen Aufsicht, der Kommission für Jugendmedienschutz, und den von ihr beaufsichtigten Selbstregulierungsorganisationen wird auch noch um Spielräume gerungen.

Bevor man "best practices" vorstelle, so Scheuer, müsse bei allen Modellen auch überprüft werden, inwieweit sich mit ihnen europäsiches Recht -- wie im Fall des JMStV die E-Commerce-Richtlinie und die Fernsehrichtlinie -- umsetzen lasse. Schließlich hat man sich noch eine ziemlich schwierige Aufgabe verordnet: Bei alledem soll auch die Effektivität der Koregulierungsansätze überprüft werden. Wie das im Bereich des Jugendschutzes oder auch bei der Werbung passieren soll, darüber grübelt man noch.

Zahlen allein, wie sie kürzlich nach zweijährigem Bestehen die KJM veröffentlicht hat, sind wenig aussagekräftig. "Dass viele Beschwerden kommen, kann letztlich ein Resultat großer Bekanntheit sein", meint Scheuer. Aber auch liberalere Ansichten oder eine Reserviertheit gegenüber amtlichen Stellen könnten eine Rolle spielen. Zudem: Wenn ein paar Dutzend oder ein paar hundert Angebote aus Internet oder dem Fernsehen verschwänden, heiße das noch lange nicht, dass Kinder und Jugendliche besser geschützt seien. Die Ergebnisse der Studie, die unter anderem Werberegeln in Großbritannien und Teleshopping-Regeln in Italien unter die Lupe nehmen wird, sollen Ende dieses Jahres veröffentlicht werden. (Monika Ermert) / (jk)