EU: Fernsehen wird zum Mediendienst

Die EU-Kommission hat einen Entwurf zur Neufassung der Europäischen Fernsehrichtlinie vorgelegt; sie werde damit zu einer Content-Richtlinie, meinen Beobachter.

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Von
  • Monika Ermert

Die EU-Kommission hat einen Entwurf (PDF-Datei) zur Neufassung der Europäischen Fernsehrichtlinie vorgelegt. Die Neufassung soll auf die Digitalisierung und Konvergenz der Medien reagieren und einen Schritt in Richtung Angleichung der Regulierung audiovisueller Inhalte in verschiedenen Medien gehen – einschließlich mobiler Verbreitungswege und Internet. Aus "Fernsehen" und "Rundfunkveranstalter" werden in dem von Vivianne Reding, EU-Kommissarin für Medien und Informationsgesellschaft, präsentierten Entwurf so "Audiovisuelle Mediendienste" und "Mediendiensteanbieter". Die Fernsehrichtlinie werde damit mehr zu einer Content-Richtlinie, schreibt das Europäische Institut für Medienrecht (EMR), das allerdings weiteren Nachbesserungsbedarf sieht.

Im Zentrum der Neufassung stehen Änderungen der Werbevorschriften. Die Beschränkung der Werbezeit soll künftig auf maximal 12 Minuten pro Stunde festgelegt werden. Die Bestimmungen zu Abstandsregeln und der "Tagesdosis" werden gelockert. Product Placement wird erlaubt, solange es sich nicht um Schleichwerbung handelt. Sponsorship muss klar kenntlich gemacht werden. Die Liberalisierung des Product Placement wurde allgemein begrüßt, bei den Werbebeschränkungen geht sie vielen nicht weit genug. Anderseits warnte der ARD-Intendant Fritz Pleitgen, dass den Zuschauern mit getarnter Werbung gespickte Sendungen nicht zuzumuten seien.

Bei den Fragen der Rechte von Fernsehanstalten will der Kommissionsentwurf ein Berichterstattungsrecht über öffentliche Ereignisse festlegen, auch wenn die Rechte für das Ereignis von einem Veranstalter aufgekauft wurden. Das Kurzberichterstattungsprivileg umfasst Schnipsel von 90 Sekunden. Dennoch beklagt der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation dadurch bereits eine Einschränkung der Urheberrechte und sieht das empfindliche Gleichgewicht auf dem Sportrechte-Markt gefährdet. Vor allem ist man gegen ein "Recht auf Information" für Mittler (sogenannte "Intermediaries"), das sind etwa Nachrichtenagenturen. Nach wie vor sehen die privaten Rundfunkveranstalter Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu anderen Mediengattungen. Das Fernsehen bleibe auch nach dem neuen Entwurf das am stärksten regulierte Medium. "Diese Benachteiligung gegenüber Print- und übrigen elektronischen Medien lässt sich im Zeitalter der Digitalisierung immer weniger rechtfertigen", meinte Tobias Schmid, Vorsitzender des Fachbereichs Fernsehen und Vizepräsident des VPRT.

Auf der anderen Seite fürchtet die Internetwirtschaft eine Überregulierung durch die Nivellierung und sieht auch eine Doppelung von Regulierung durch das Nebeneinander von Fernsehrichtlinie und E-Commerce-Richtlinie. Die Kommission wolle das strenge Recht für klassisches Fernsehen auch auf neue, innovative Dienste ausdehnen. "Dieses Vorhaben gefährdet einen sich gerade erst entwickelnden Markt", warnte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Dieses Problem sieht der VPRT durchaus auch: Durch die Ausdehnung und unklare Definitionen würde die Entwicklung neuer Multimedia-Angebote behindert, da sie nicht wie bisher flexibel auf die Marktentwicklung reagieren können, heißt es beim VPRT. Unsinnig ist laut Bitkom zudem die Quotenforderung für "europäische Inhalte". Kulturelle Vielfalt, für die das Internet ohnehin stehe, könne nicht dekretiert werden.

Zur Reichweite der Regulierung heißt es im Entwurfstext, dass private Kommunikation und E-Mails, die an eine begrenzte Anzahl von Empfängern gehen, nicht der Richtlinie unterfallen. Inhalte, die nicht auf die Verbreitung audiovisueller Inhalte zielen, sind ebenfalls außen vor, ebenso Webseiten, die nur gelegentlich und nicht als Hauptangebot Filmmaterial anbieten. Ausgeschlossen sind auch die elektronischen Angebote von Zeitungen und Magazinen.

Mehr Harmonisierung und Einheitlichkeit aber will die Richtlinie im Jugendschutz erreichen und winkt dort mit der Fahne der Koregulierung. Die Erfahrung habe gezeigt, heißt es im Entwurf, dass Koregulierung und Selbstregulierung eine wichtige Rolle beim Schutz der Konsumenten spielen könnten. Jugendschutzmaßnahmen sollten im Übrigen gegen das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Recht auf Meinungsfreiheit abgewogen werden, fordert der Entwurfstext. "Ziel dieser Maßnahmen ist daher die Gewährleistung eines angemessenen Jugendschutzes insbesondere in Bezug auf nicht-lineare Dienste, aber kein generelles Verbot von nur für Erwachsene bestimmten Inhalten." Ein explizites Jugendschutz- und Antirassismusgebot hat die Kommission auch für die Werbung in die Neufassung geschrieben. (Monika Ermert) / (jk)