Von Robotergesetzen und Rechten für Roboter

Egal ob ein Roboter als bester Freund des Menschen, als gehorsamer Sklave oder als Kamerad fürs Schmutzige und Gefährliche konzipiert wird, er wird als Interaktionspartner das Sozialgefüge verändern.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Je vielseitiger und intelligenter Roboter werden, desto mehr werden sie zum Gegenstand nicht nur der Informatik und Ingenieurswissenschaften. Auch Soziologen, Psychologen, Philosophen und Vertreter anderer Disziplinen interessieren sich verstärkt für die mechanischen Geschöpfe, die in den kommenden Jahren mehr und mehr den menschlichen Alltag prägen sollen. Denn egal ob der Roboter als bester Freund des Menschen, als gehorsamer Sklave oder als Kamerad fürs Schmutzige und Gefährliche konzipiert wird – in jedem Fall wird er als Interaktionspartner, der sowohl Sprache als auch Gesten versteht, das Sozialgefüge verändern. Es ist daher nicht zu früh, sich über die sozialen Folgen dieser Technologie Gedanken zu machen und sich auf die erwarteten gesellschaftlichen Veränderungen vorzubereiten.

Die ersten Vorträge beim Workshop on Advanced Robotics and its Social Impacts am Institute for Advanced Study der Technischen Universität München handelte aber zunächst noch von Basisfertigkeiten wie dem Greifen von Papier oder von Kreditkarten. Was Takashi Yoshimi vom Shibaura Institute of Technology im Video zeigte, sah nicht so aus, als würden Roboter demnächst die Kartenspielerszene neu aufmischen. Insbesondere das Aufheben einer Plastikarte erfolgte sehr langsam und kompliziert. Der speziell dafür konstruierte 2-Finger-Greifer mit einer Art Fingernagel lässt sich zudem bei anderen Anwendungen nur schwer vorstellen. Es seien noch mehr Sensoren erforderlich, räumte Yoshimi ein.

Thymio II hilft dabei, in wenigen Stunden die Grundlagen der Roboter-Programmierung zu erlernen.

(Bild: Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Lausanne , Lizenz CC BY-SA 3.0 )

Nicht nur die Roboter müssen noch viel lernen, auch bei den Menschen gibt es noch einigen Nachholbedarf, was die Kenntnisse über ihre mechanischen Gefährten betrifft. Bislang gebe es noch kein einziges Gesetz in Deutschland, in dem das Wort "Roboter" vorkommt, sagte Daniel Eck von der Universität Würzburg. Gemeinsam mit seinem Forschungskollegen Jan-Philipp Günther erörterte er den fiktiven Fall eines durch einen autonomen Rollstuhl verursachten Unfalls. Das Resümee nach ausführlicher Diskussion des Paragrafen 823 im BGB, der die Haftung von Herstellern regelt: "Die Haftbarkeit bei Robotern ist weitgehend unklar."

Um mehr Klarheit im Umgang mit Robotern zu gewinnen, können Roboterfestivals helfen, wie sie seit 2008 an der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) durchgeführt werden. Fanny Riedo berichtete von den Erfahrungen mit dieser Veranstaltung, deren Besucherzahlen von anfangs 3.000 auf mittlerweile 15.000 angewachsen sind. Die Mischung aus Ausstellungen, Shows, Wettbewerben und Workshops spreche insbesondere Familien an, habe viele Jugendliche ermuntert, an der EPFL zu studieren, und generell Interesse an Robotik geweckt. Die Besucher seien bisher überwiegend akademisch gebildet, zukünftig soll das Festival aber auch Menschen ohne akademischen Hintergrund ansprechen und den Frauenanteil erhöhen.

Sehr erfolgreich seien die Workshops, bei denen der an der EPFL entwickelte Roboter Thymio II eingesetzt wird. Insbesondere Kinder zwischen 9 und 14 Jahren werden von den Workshops angesprochen und erlernen hier in wenigen Stunden die Grundlagen der Roboterprogrammierung. Schwieriger war es, Kontakt zu Lehrern aufzubauen. Hier hat es sich als hilfreich erwiesen, pädagogische Begleitmaterialien bereitzustellen und eigene Kurse für Lehrer anzubieten.

Weiter in die Zukunft schaute dann Klaus Mainzer, Direktor des neu eingerichteten Munich Center for Technology in Society (MCTS) in seinem Hauptvortrag. Er bezog sich auf die biologische Evolution als selbstorganisierendes System und zeigte sich überzeugt, dass auf die gleiche Weise auch künstliche Intelligenzen erzeugt werden könnten. Schließlich sei das Aktionspotenzial von Neuronen im Gehirn berechenbar. Die Speicherung von Informationen habe sich von der genetischen Basis zur neuronalen entwickelt und schließlich zur außerkörperlichen, die sich heute in Gestalt digitaler Technologien rasant weiterentwickelt. Nach Moore‘s Gesetz, das eine Verdoppelung der Rechenkapazität alle 18 Monate postuliert, könnte ein einzelner PC im Jahr 2060 die Leistungsfähigkeit aller menschlichen Gehirne übertreffen. Das sei eine "riskante Voraussage", räumte Mainzer ein. Sie lasse sich aber auch nicht ausschließen.

Die Entwicklung des World Wide Web verlaufe erstaunlich ähnlich der des Gehirns. In Gestalt von Cyberphysical Systems verschmölzen physische und virtuelle Realität und würden für eine Vermehrung von Robotern sorgen, meinte Mainzer. An die transhumanistische Vision einer neuen Lebensform jenseits des Menschen glaube er zwar nicht, eine Verbesserung der Lebensqualität sei aber durchaus zu erwarten. In Krankenhäusern und medizinischen Anwendungen dürfte die Gesellschaft Roboter am ehesten akzeptieren.

Als eine große Herausforderung sieht Mainzer die Überwindung des Grabens zwischen Philosophen und Ingenieuren, die verschiedene Sprachen sprechen, gleichwohl aber beide gefordert sind, um den zukünftigen Platz von Robotern in der Gesellschaft zu bestimmen. Roboter mit Emotionen seien wahrscheinlich nicht erforderlich. Dagegen hält es Mainzer für denkbar, dass Industrienormen etwa für Sensibilität entwickelt werden, denen die maschinellen Gefährten zu genügen haben. Falls die Entwicklung aber doch auf emotionale Roboter hinauslaufen sollte, müssten ihnen auch eigene Rechte eingeräumt werden, erklärte er auf Nachfrage.

Zumindest für Juristen dürften die von vielen als Jobkiller angesehenen Maschinen also noch für einige Jahrzehnte Beschäftigung garantieren. (jk)