Schach den Gehirnströmen

In der TU Berlin präsentierte die Forschungsgruppe Maschinelles Lernen die neueste Version ihres "Berlin Brain-Computer Interface". Damit kann ein Mensch auf einem elektronischen Schachbrett mit Gedankenkraft Figuren bewegen und schlagen.

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Von
  • Ralf Bülow

Seit gut 10 Jahren widmet sich die Forschungsgruppe Maschinelles Lernen der TU Berlin der Aufgabe, menschliche Hirnströme in Anweisungen für Computer zu übersetzen. So bedienten die Forscher mit Hilfe des "Berlin Brain-Computer Interface" BBCI schon einen Flipper oder brachten ein Auto zum Stehen, alles durch die reine Kraft der Denkens.

Das schwierigste Problem ist stets, im Rauschen der nur 10 bis 50 Mikrovolt schwachen Spannungen, die mit einer Kappe vom Schädel abgenommen werden, genau die ausfindig zu machen, die Rückschlüsse auf einen bestimmten Willensakt zulassen. Erst vor einem Jahr entwickelte ein Team um Michael Tangermann eine Mensch-Maschine-Schnittstelle, die die Orientierung auf einem Schachbrett und das Ziehen von Figuren erlaubte. Eine erhebliche verbesserte Version wurde vor einem Monat auf Euronews enthüllt und jetzt auch in Berlin vorgestellt.

Ein Gehirn spielt Schach: Professor Klaus-Robert Müller und sein Kollege Sven Dähn am "Berlin Brain-Computer Interface" der Technischen Universität.

(Bild: heise online / Ralf Bülow)

Wie funktioniert's? Um eine Figur über das Brett bzw. den Monitor zu bewegen, visiert der Spieler zunächst das Feld an, auf dem sie steht. Die dadurch ausgelösten Gehirnwellen muss das Interface-System korrekt entschlüsseln; danach wird das erkannte Feld durch einen Rahmen markiert. Der Spieler schaut nun auf die Position, wohin er die Figur ziehen will. Hat das System auch diese Position aus dem Wirrwarr der Wellen gefiltert, rückt die Figur automatisch dorthin. Sollte ein Stein geschlagen werden, verschwindet dieser vom Brett. Danach ist der Gegner dran, das kann ein Schachprogramm oder ein Mensch sein, der übers Internet zugeschaltet ist.

Der Leiter der Forschungsgruppe, Professor Klaus-Robert Müller, erinnerte bei der Vorführung daran, dass zu Beginn der Projekts kurz nach der Jahrtausendwende das Trainieren des "Brain-Computer Interface" auf die Hirnströme einer Person rund 100 Stunden beanspruchte. Demgegenüber dauerte es bei der jüngsten Version nur fünf Minuten, bis sich das System auf den Schachspieler Sven Dähn – ein Mitglied von Müllers Gruppe – eingestellt hatte.

Projektleiter Dr. Michael Tangermann betonte, dass das Schach-Interface motorisch eingeschränkten Menschen eine soziale Interaktion gestattet würde. Außerdem könnten sie damit ihrer Umwelt zeigen, in welchem Maße noch ihre Denkfähigkeit vorhanden ist. Nun gälte es, dass Interface "robuster" zu machen, natürlich mit dem Fernziel einer kommerziellen Version.

Das Berliner Schachsystem entstand in Zusammenarbeit mit der Charité und wird im Rahmen des TOBI-Programms von der EU gefördert. Wer es einmal in Aktion sehen möchte, kann das am 2. Juni tun: In der Langen Nacht der Wissenschaften wird es im Hauptgebäude der Technischen Universität an der Straße des 17. Juni 135 präsentiert. (jk)