Smart Home per Smartphone

Ob vom Sessel oder Strand: Fast die gesamte Haustechnik lässt sich heute bequem mit mobilen Endgeräten steuern.

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Von
  • Christian Buck

Ob vom Sessel oder Strand: Fast die gesamte Haustechnik lässt sich heute bequem mit mobilen Endgeräten steuern.

Geht es nach Professor Viktor Grinewitschus vom Fraunhofer-inHaus-Zentrum in Duisburg, betreut uns das Haus der Zukunft bald genauso wie moderne, technisch hochgerüstete Autos ihre Fahrer: "Elektronik und Software sorgen für einen niedrigen Energieverbrauch, und dank Assistenzsystemen wie ABS, ESP oder dem Satelliten-Navigationssystem fahren wir immer sicherer", schwärmt der Experte für technische Gebäudeausrüstung. "Meine Vision ist, dass solche Assistenzfunktionen in Zukunft auch in Häusern unser Leben bereichern." Der Anfang ist bereits gemacht: Intelligente Systeme zur Haussteuerung verwandeln immer mehr Gebäude in "Smart Homes": Sensoren und Aktuatoren wie motorgetriebene Relais oder Thermostate warnen vor Einbrechern, sorgen für das jederzeit perfekte Licht oder senken den Energieverbrauch.

Wurden bislang jedoch solche Hausautomatisierungen mittels Netzwerkkabel und Internet-Router über den PC gesteuert, lassen sich die Smart-Home-Produkte der neuesten Generation jetzt auch über Smartphone oder Tablet-PC bedienen. Apps für iPhones, iPads oder Android-Handys zeigen zum Beispiel an, wie warm es in jedem Raum ist, wo die Jalousien stehen und ob ein Bewegungsmelder gerade aktiv ist – so werden mobile Endgeräte zur Fernsteuerung fürs Haus. Ein Druck oder Wisch auf dem Touchscreen genügt, um das Licht im Wohnzimmer einzuschalten oder die Heizung höher zu stellen. Damit stehen alle Funktionen der Haustechnik sowohl zu Hause als auch unterwegs zur Verfügung: Urlauber können sogar beim Sonnenbad am Strand feststellen, ob daheim alle Fenster geschlossen sind.

Durch Haussteuerung können zum Beispiel 15 bis 35 Prozent Heizkosten eingespart werden, was sich auch auf den Markt auswirkt: "Wir haben seit März 2011 eine fünfstellige Zahl von Systemen verkauft", freut sich Holger Wellner, der bei der RWE Effizienz GmbH den Geschäftsbereich SmartHome leitet. Das Einsteigerpaket "RWE SmartHome" zum Ausprobieren, das die RWE-Tochter anbietet, kostet 379 Euro – damit lassen sich zwei Heizkörper steuern, außerdem werden noch ein funkgesteuerter Zwischenstecker und ein Wandsender zum Ein- und Ausschalten von Geräten mitgeliefert. Die Intelligenz steckt in einem kleinen Kästchen, das alle Komponenten über ein firmeneigenes Funkprotokoll ansteuert. In Kombination mit einem zusätzlichen Fenstersensor kann es beispielsweise dafür sorgen, dass die Heizung bei offenem Fenster automatisch heruntergeregelt wird. Wer sein Haus oder seine Wohnung auf diese Weise zum Energiespar-Weltmeister aufrüsten will, muss laut Hersteller mit Kosten von ungefähr zehn Euro pro Quadratmeter rechnen.

Natürlich lässt sich auch "RWE SmartHome" mittels der modernen Mobilgeräte bedienen. "Die Kunden erwarten heute einfach, dass sie ihr Haus über das Mobiltelefon oder den Tablet-PC jederzeit und überall steuern und überwachen können", sagt Günther Ohland von der Initiative SmartHome Deutschland. Das RWE-Produkt setzt jedoch ausschließlich auf eigene Standards, während der "Miniserver" des österreichischen Konkurrenten Loxone sich über verschiedene Erweiterungsmodule auch mit Produkten anderer Hersteller vernetzen lässt. Wer allerdings mehrere unterschiedliche Systeme – etwa die Haussteuerung und eine Multimedia-Anlage – über eine einzige App kontrollieren möchte, muss etwas tiefer in die Trickkiste greifen. "Im Moment gibt es keine einheitliche Bedienung für alle Produkte", erklärt Professor Birgit Wilkes von der TH Wildau. Die meisten Hersteller liefern jeweils nur eigene Apps für die Steuerung ihrer Geräte. Über einen gemeinsamen Standard wird zwar immer wieder diskutiert, er ist aber in nächster Zeit nicht zu erwarten – zu sehr hängen die Hersteller immer noch an ihren Eigenentwicklungen, mit denen sie sich bestens gegenüber der Konkurrenz abzuschotten wissen.

Abhilfe schaffen Systemintegratoren wie die inHaus GmbH: Solange den Spezialisten dieses Ablegers aus dem Fraunhofer-inHaus-Zentrum zumindest die Software-Schnittstellen der einzelnen Systeme bekannt sind, können sie alle Geräte unter einer einzigen Oberfläche vereinen. Dann reicht eine einzige App für die Steuerung aller Teilsysteme aus. Dafür sorgt eine "Middleware" auf Smartphone oder Tablet-PC – sie vermittelt zwischen der einheitlichen Benutzeroberfläche des Systemintegrators und der jeweils installierten Hardware. So sieht der Hausbesitzer etwa immer das gleiche Rollladen- oder TV-Symbol, egal welches Smart-Home-System und welche Multimedia-Anlage er besitzt. Und statt separate Apps für jedes Teilsystem zu starten, bedient er nun alle Komponenten mit einem einzigen Programm.

"Unsere Kunden haben den Wunsch, ihr Haus möglichst einfach zu steuern und auf die wichtigsten Funktionen mit einer einzigen App zugreifen zu können", erklärt Enrico Löhrke, geschäftsführender Gesellschafter der inHaus GmbH. "Seit 2003 haben wir mehr als 750 Wohneinheiten mit intelligenter Technik und unserer Middleware realisiert – vom Reihenhaus bis zur Villa mit 3000 Quadratmetern Wohnfläche." Aufwand und Kosten hängen dabei stark von der Zahl der beteiligten Systeme ab: Wer nur die Haussteuerung und seine Multimedia-Anlage via Smartphone oder Tablet-PC fernbedienen möchte, muss mit Kosten ab 3500 Euro für die Programmierung rechnen. Besonders einfach ist die Umsetzung, wenn die inHaus-Experten bereits Erfahrung mit den eingesetzten Komponenten sammeln konnten. Teurer wird es, wenn beispielsweise noch bestehende Multimediageräte der Kunden, die Kommunikation mit der Haustür, eine Klimaanlage oder eine Pool-Steuerung dazukommen. "Das sind dann kundenspezifische Maßanfertigungen, bei denen der Aufwand beliebig groß werden kann", so Löhrke.

Und wie steht es mit der Sicherheit? Kein Hausbesitzer will riskieren, dass Einbrecher via Funk sein Gebäude fernsteuern, die Alarmanlage abschalten oder den Rollladen hochfahren. "Mir ist kein Fall bekannt, bei dem Einbrecher auf diese Weise in ein Haus eingedrungen sind", betont Löhrke. Allerdings sollten alle Nutzer die üblichen Empfehlungen für die Absicherung von WLAN-Netzen beachten: "Sie dürfen nie unverschlüsselt betrieben werden", sagt Löhrke. "Wer den aktuellen WPA2-Standard einsetzt, ist auf der sicheren Seite." Auch Günther Ohland von Smart-Home Deutschland hält die Gefahr für überschaubar: "Einbrecher suchen nach gekippten Fenstern oder einer dunklen Ecke, um in eine Wohnung einzusteigen – die machen sich nicht die Mühe, mit dem Notebook nach WLAN-Netzen zu suchen." (bsc)