EU-Kommission klagt gegen deutsche Datenschutzgesetze

Die Bundesländer räumen ihren Datenschutzbeauftragten nicht die im EU-Recht geforderte Unabhängigkeit im privaten Sektor ein, lautet der Vorwurf.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 32 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die EU-Kommission hat Deutschland wegen unzulänglicher Datenschutzgesetze verklagt. Der Vorwurf lautet, alle 16 Bundesländer räumten ihren Datenschutzbeauftragten nicht die im EU-Recht vorgesehene "völlige Unabhängigkeit" für den privaten Bereich ein. Das berichtet die Saarbrücker Zeitung. Laut tagesschau.de hat ein Sprecher der Kommission den Bericht bestätigt. Eine erfolgreiche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) könnte die Bundesländer zu einer Änderung ihrer Datenschutzgesetze zwingen.

Bereits Ende Dezember hatte die EU-Kommission Deutschland offiziell aufgefordert, bis Mitte Februar 2007 die Vorschriften über die Organisation der Kontrollstellen für die Datenverarbeitung im nicht-öffentlichen Bereich in den Bundesländern zu ändern. Die Brüsseler Behörde ist der Ansicht, dass die in den Bundesländern "mit verschiedenen Formen von Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht" gehandhabte Wacht über die Privatsphäre der Bürger nicht die Forderung der EU- Datenschutzrichtlinie von 1995 nach "völliger Unabhängigkeit" der Aufsichtsstellen erfüllt. Sie hatte daher schon im Sommer vergangenen Jahres die Bundesregierung zu einer Stellungnahme aufgefordert. Im Allgemeinen fungieren hierzulande die Regierungspräsidien der Bundesländer als Datenschutz-Aufsichtbehörden. Dabei kann es aber zu Interessenskonflikten kommen, wie die lange Auseinandersetzung um die Aufbewahrung von IP-Adressen in Hessen durch T-Online zeigte. In einigen Bundesländern wie Niedersachsen obliegt die Kontrolle über die Einhaltung des Datenschutzes sogar unmittelbar den Innenministerien.

Stellen, die für den Datenschutz privater Einrichtungen zuständig sind, stünden nach bisheriger Rechtslage faktisch unter staatlicher Aufsicht; dies widerspreche jedoch der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995, wonach die Datenschützer ihre Aufgaben "in völliger Unabhängigkeit" wahrnehmen, heißt es nun bei der EU-Kommission. Auch wenn in Landesgesetzen festgehalten sei, dass die Datenschutzbeauftragten unabhängig seien, sei dies nach Ansicht der Kommission ein Verstoß gegen das Erfordernis der völligen Unabhängigkeit.

Die Klage der Kommission, die über Einhaltung und Umsetzung des EU-Rechts wacht, richte sich gegen die Bundesregierung, da die Bundesrepublik als EU-Mitgliedsstaat und nicht die einzelnen Länder für die Umsetzung zuständig seien. Die Bundesregierung muss für den Fall einer Verurteilung durch den EuGH auch mit einem Strafgeld rechnen.

Die Saarbrücker Zeitung zitiert den Datenschutzbeauftragten des Saarlands Roland Lorenz, der die Klage als berechtigt ansieht. Er ist bisher nur für den Datenschutz im öffentlichen Sektor zuständig und appelliert an die Landesregierung, ihm nun auch die Zuständigkeit für den privaten Bereich zu übertragen. Im April hatte die saarländische Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine entsprechende Forderung der FDP abgelehnt mit der Begründung, es müssten dann neue Stellen geschaffen werden, was Mehrkosten verursachen würde. Lorenz meint hingegen, die Verlagerung bestehender Stellen vom Innenministerium in seine Behörde würde nichts kosten. (anw)