Marketing-Experten kritisieren geplante EU-Datenschutzreform

Ein Vertreter einer Direktmarketing-Vereinigung ermahnte die Politiker auf einem Workshop zum Entwurf der EU-Kommission für eine Datenschutzverordnung, "keinen Kampf gegen die Wirtschaft zu führen".

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Ein Vertreter des Deutschen Dialogmarketing-Verbands (DVV) ermahnte die Politiker auf einem Workshop (PDF-Datei) im EU-Parlament zum Entwurf der EU-Kommission für eine Datenschutzverordnung, "keinen Kampf gegen die Wirtschaft zu führen". Produkte würden immer ausdifferenzierter und bedienten immer mehr Spezialinteressen. Es sei daher wichtig, diese mit Hilfe von Datenverarbeitung genau "anfüttern" zu können. Die Betonung der Grundrechte in dem Reformvorhaben werde dagegen zunehmend missbraucht, "um die Leute zu gängeln".

Die Direktvermarkter stören sich daran, dass sie personenbezogene Daten nur nutzen können sollen, wenn es eine gesetzliche Grundlage gibt oder die Betroffenen informiert einwilligen. Hier herrsche bisher Rechtsunsicherheit, räumte Payback-Justiziar Peter Drunkenmölle ein. Der Reformentwurf mache aber noch nicht ausreichend deutlich, wann ein Opt-in erforderlich sei oder wann der Nachweis "legitimer Interessen" ausreiche. Es werde nicht einmal definiert, was "Direktmarketing" bedeute.

Vor allem für Internetfirmen sei es schwierig, etwa vor der Erhebung einer IP-Adresse den Surfer erst um sein Plazet zu fragen, ergänzte Marisa Jimenez, Europäische Datenschutzbeauftragte von Google. Auch wenn das viel zitierte "Recht, vergessen zu werden" nur eine "neu verpackte" Bestimmung sei, sah sie Grundrechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit nicht ausreichend gewährleistet. Der in Blogs oder sozialen Netzwerken aktive Nutzer passe zudem nicht in die traditionellen Kategorien. Personenbezogene Daten seien keine "Währung" der werbebasierten Internetwirtschaft; Google bemühe sich, personalisierte Dienste anzubieten.

Der Frankfurter Rechtsanwalt Ulrich Würmeling, der vor allem für die Medien-, Kommunikations- und Marketingbranche tätig ist, meinte, da die Datenverarbeitung zum Alltag gehöre und nicht mehr als Bedrohung angesehen werde, müsse sich die Kontrolle auf einen "sehr kleinen Bereich" beschränken und nur noch bei klaren Gefährdungen der Privatsphäre regulierend eingreifen. Auch Transparenzvorgaben dürften nicht zu umfangreich sein, da die Unternehmen sonst "mehr unnötige Informationen liefern" müssten.

Nutzer legten Ansprüche an die Privatheit in Online-Diensten dynamisch und kontextabhängig fest, unterstrich Pat Walshe, Datenschutzbeauftragter des Mobilfunkerverbands GSMA. Dafür seien flexible Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft am besten geeignet. Walshe versicherte, dass die Mobilfunkbranche vorgesehene Prinzipien wie "Privacy by Design" bereits freiwillig erfülle.

Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hob hervor, dass die Leitsätze des Vorstoßes etwa auch vom Europarat und von der OECD geteilt und weltweit als höchst relevant angesehen würden. Er erinnerte an die staatliche Verpflichtung, das Individuum gegen Eingriffe aus der Wirtschaft und im öffentlichen Sektor zu schützen.

Das Parlament müsse sich auf das "große Versprechen an die Bürger" besinnen, das von der Verankerung des Datenschutzes in der EU-Grundrechtecharta ausgegangen sei, befand Joe McNamee von der Initiative "European Digital Rights" (EDRi). Der Verordnungsentwurf enthalte aber noch zu viele Lücken und Ausnahmen, beispielsweise könnten Provider als Helfer herangezogen werden, um Copyright-Verletzungen zu verfolgen. Auch könne die Speicherung von Kundendaten auf Vorrat damit weiterhin als "legitim" deklariert werden.

Vertreter von Verbraucherschutzorganisationen und Mittelstandsvereinigungen lobten die Vorlage als "gute Basis". Derzeit würden Konsumenten häufig in bestimmte Dienste eingeschlossen, da die Anbieter eine Eigentümerschaft über die selbstgenerierten Inhalte beanspruchten. Schutzbestimmungen sollten klar und leicht verständlich sein, auch müssten eigene Daten mitgenommen werden können.

Philip Schütz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung monierte die oft nicht ausreichenden finanziellen Ressourcen für Datenschutzbeauftragte. Die neue Auflage, ihnen "adäquate Mittel" zur Verfügung zu stellen, bleibe zu vage. Für ihn ist fraglich, wieso der Steuerzahler allein für die Kontrollen der Behörden aufkommen müsse, auch wenn diese Firmen beträfen. Die Unternehmen sollten zumindest eine Registrierungsgebühr für Prüfdienste zahlen, wie dies in Großbritannien bereits üblich sei. (anw)