NFC-Kreditkarten bereiten den Boden für Handy-Zahlsysteme

Google, PayPal und andere IT-Konzerne treiben Zahlsysteme für die Ladentheke voran, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe. Ihnen winkt ein Milliardengeschäft.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Schrittmacher dafür ist das Funksystem NFC (Nearfield Communication), mit dem sich Distanzen von wenigen Zentimetern überbrücken lassen. Diese Funkchips sind bisher vor allem auf Kredit- und Debitkarten zu finden. Doch sie haben auch das Potenzial, das Mobiltelefon nach mehreren erfolglosen Versuchen doch noch zu einem Zahlungsmedium zu machen.

Visa gibt in Europa gerade Millionen der neuen „Paywave“-NFC-Karten aus. Sie sollen vor allem kleinere Beträge begleichen, bei denen Käufer bisher meist zum Bargeld gegriffen haben. Beim Konkurrenten Mastercard heißt die gleiche Technik „Paypass“. Allein in Deutschland sind schon über 1,2 Millionen entsprechend ausgerüsteter Karten in Umlauf, etwa von Lufthansa Miles & More, den Sparda-Banken Nürnberg und Hamburg sowie der Netbank. Kunden können sie einsetzen bei den Einzelhändlern Christ, Appelrath-Cüpper, Hussel und Thalia sowie bei Aral- und Star-Tankstellen.

Die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken kontern mit einem ähnlichen NFC-Zahlverfahren namens „Girogo“. Ab Mitte des Jahres werden die Debit-Karten der Institute bundesweit mit integriertem NFC-Chip ausgeliefert. Bis 2015 sollen alle 45 Millionen Karten ausgetauscht sein. Ketten wie Douglas, Edeka und Esso sind bereits Partner.

Die Verbreitung von NFC-Karten und ihre steigende Akzeptanz in Supermärkten, Drogerien und Bekleidungsläden könnte auch NFC-Smartphones den Weg ebnen. Viele neue Modelle von Sony, Samsung und Nokia haben NFC serienmäßig an Bord, wohl ebenso das nächste iPhone. „Das Endziel aller Projekte ist es, Debit- oder Kreditkarten auf das Handy zu bringen“, sagt Christian von Hammel-Bonten, Vizepräsident Telekommunikation beim Finanzdienstleister Wirecard. „Aber es wird keine Revolution geben, sondern eine Evolution. Die Infrastruktur befindet sich erst im Aufbau.“

Vordergründig dürfte es Kunden egal sein, ob der NFC-Chip im Handy oder in der Kreditkarte sitzt. Doch in Verbindung mit einer Smartphone-App ergeben sich ganz neue Möglichkeiten: Das bargeldähnliche Bezahlen mit NFC kann nahtlos eingebunden werden in Anwendungen für Online-Banking, Bezahlen im Internet, Rabatt- oder Gutscheinsysteme , so dass ein Nutzer nur noch eine zentrale Anlaufstelle hat für alles, was irgendwie mit Geld und Einkaufen zu tun hat.

Den etablierten Finanzdienstleistern erwachsen damit scharfe Wettbewerber. Apple, Google, Facebook, PayPal und Amazon arbeiten an NFC-Lösungen für das mobile Bezahlen. Für die Firmen ist das doppelt lukrativ: Sie streichen nicht nur Transaktionsgebühren ein, sie sammeln auch massenhaft Daten.

Am weitesten fortgeschritten beim Mobile Payment ist Google. Die Kalifornier brachten vor einem Jahr „Google Wallet“ auf den Markt. Über 150.000 Online- und Offlinehändler akzeptierten bereits Zahlungen mit Wallet, darunter Foot Locker, Macy's und Duane Reade. Derzeit ist der Dienst auf die USA beschränkt. Da sich der Konzern aber eine europäische Banklizenz gesichert hat, ist eine Expansion wohl nur eine Frage der Zeit.

Auch PayPal, mit mehr als 100 Millionen Kunden der größte Zahlungsdienstleister im Internet, will die Ladentheken erobern. Allerdings setzt PayPal nicht auf NFC, sondern auf QR-Codes. Ein Kunde braucht mit seinem Smartphone nur einen QR-Code abzufotografieren, eine App übernimmt dann die Zahlung und meldet den Verkauf auch dem Warenwirtschaftssystem des Händlers.

Mit QR-Codes können Geschäfte ihre Produkte auch nach Ladenschluss an den Mann bringen, indem sie einen Code im Schaufenster anbringen. Onlinehändler wiederum können ihre Waren auch außerhalb des Internets zeigen, etwa auf Plakaten. Wie das funktionieren kann, zeigt das Unternehmen Tesco in Südkorea: Es beklebt U-Bahn-Haltestellen mit abfotografierten Supermarktregalen. Auf jedem Produkt ist ein QR-Code aufgedruckt – Shoppen im Untergrund ist damit kein Problem mehr. (Ingmar Höhmann)

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