Weizenbaum: Die Informationsgesellschaft ist eine Illusion

Um die Perlen im "Misthaufen Internet" zu finden, müsse man die richtigen Fragen stellen -- gerade das aber könnten die meisten Menschen nicht, meinte der Computerpionier und ausgewiesene Computer- und Gesellschaftskritiker Joseph Weizenbaum.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 592 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • dpa

Das Internet ist nach Ansicht des bekannten US-Computerexperten und Philosophen Prof. Joseph Weizenbaum ein "Schrotthaufen" und verführt die Menschen zur Selbstüberschätzung. Weizenbaum, der in den 60er Jahren das Sprachanalyseprogramm ELIZA entwickelte, sprach im Rahmen einer Vortragsreihe beim weltgrößten Computermuseum in Paderborn. Weizenbaum, der sich vom Computerwissenschaftler zum Computerkritiker und folgerichtig zum Kritiker einer Gesellschaft, die solche Computer produziert, entwickelte, erneuerte seine Kritik am Internet: "Das Ganze ist ein riesiger Misthaufen, der Perlen enthält. Aber um Perlen zu finden, muss man die richtigen Fragen stellen. Gerade das können die meisten Menschen nicht."

Weizenbaum sagte weiter: "Wir haben die Illusion, dass wir in einer Informationsgesellschaft leben. Wir haben das Internet, wir haben die Suchmaschine Google, wir haben die Illusion, uns stehe das gesamte Wissen der Menschheit zur Verfügung." Kein Computer könne dem Menschen die eigentliche Information liefern. "Es ist die Arbeit der Interpretation im Kopf, die aus den Zeichen, die Computer anzeigen, eine Information macht. Wir kriegen auch meistens nicht die Zeichen, die wichtig sind für eine Entscheidung." Die wichtigsten menschlichen Errungenschaften seien es, kritisch zu denken und wahrhaft zuzuhören.

Der emeritierte Forscher des Massachusetts Institute of Technology kritisierte auch erneut scharf das frühe Heranführen von Kindern an den Computer: "Computer für Kinder -- das macht Apfelmus aus Gehirnen." Die Folge sei unter anderem, dass ein Großteil der Studenten nicht mehr kreativ schreiben könne und zum Teil bereits Programmen das Zusammenstellen der Hausarbeit überlasse. "Selbst an den besten Universitäten kann ein Viertel der Studenten nicht schreiben." Weizenbaum sagte weiter: "Das Fernsehen ist die größte kulturelle Katastrophe, die die Erde in der Zeit, an die wir uns erinnern können, erlebt hat." Er ergänzte: "Die höchste Priorität ist es, den Kindern Sprache beizubringen."

Menschen lernten in den Medien eine Handvoll Klischees, die auch in der Politik-Berichterstattung immer wieder aufs Neue auftauchten. Der Mangel an echter Aussage erkläre etwa den knappen Wahlausgang der USA, dessen 50:50-Proporz Ähnlichkeit mit Zufallsexperimenten habe.

Siehe zu Joseph Weizenbaum und seiner Kritik auch:

(dpa) / (jk)