EU auf scharfem strafrechtlichen Kurs bei Verletzungen geistigen Eigentums

Der Parlamentsberichterstatter für die geplanten EU-Strafvorschriften zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte hat vorgeschlagen, schon die "Akzeptanz" entsprechender Rechtsverletzungen zu kriminalisieren.

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Nicola Zingaretti, der Berichterstatter im EU-Parlament für die EU-Richtlinie über die geplanten Strafvorschriften zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte, hat vorgeschlagen, schon die "Akzeptanz" entsprechender Rechtsverletzungen zu kriminalisieren. Die Einführung des vagen Begriffs ist Bestandteil der Änderungsanträge, die der italienische Sozialdemokrat mündlich in letzter Minute vor der Abstimmung am morgigen Dienstag im federführenden Rechtsausschuss der Völkervertretung als "Kompromissvorschlag" eingebracht hat. Damit würde ein "breites Konzept sekundärer Haftung" rund um "absichtliche" Verstöße etwa gegen Urheber-, Patent- oder Markenrechte eingeführt, spricht sich der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) gegen den Änderungsantrag aus. Dieser gehe sogar noch über den vielfach kritisierten ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission hinaus, das "Anstiften und Anleiten zu sowie die Hilfe bei" Rechtsverletzungen zu kriminalisieren.

Der FFII weist die Abgeordneten des Rechtsausschusses in einem offenen Brief darauf hin, dass der Entwurf des Gremiums für die Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistigen Eigentums trotz mehrfacher Verzögerungen nicht reif sei für die Verabschiedung. Die Organisation verweist darauf, dass die Direktive mit den Änderungsvorschlägen Zingarettis noch immer nicht klar auf die angeblich im Vordergrund stehende Verfolgung gewerblicher "Piraterie" im Bereich geistigen Eigentums ausgerichtet sei. Zahlreiche Organisationen von der EU-Verbraucherschutzvereinigung BEUC über den Telco-Verband ETNO bis hin zum Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum sind der gleichen Auffassung. Sie kritisieren, dass sich mit den aussichtsreichsten Anträgen im Rechtsausschuss allein die Musik- und Filmindustrie durchgesetzt habe.

Unter den zur Wahl stehenden Vorschlägen sind Anträge von Janelly Fourtou, Gattin des Vorstandsvorsitzenden des französischen Medienkonglomerats Vivendi, und ihrer französischen Kollegin Nicole Fontaine, wonach die von der Kommission vorgesehene Beschränkung der Kriminalisierung etwa von Urheberrechtsverletzungen auf Verstöße "im gewerblichen Ausmaß" aufgehoben werden sollen. Ins Visier der Strafverfolger würden damit vor allem auch Tauschbörsennutzer geraten. Der FFII warnt, dass Software-Entwickler mit dem eingeschlagenen Kurs ebenfalls mit einem Bein im Gefängnis stehen. Dazu kämen zahlreiche sich widersprechende Anträge. Insgesamt handle es sich um einen "schäbigen Entwurf", der in scharfem Kontrast zum stärker ausbalancierten Votum des Industrieausschusses stehe. (Stefan Krempl) / (anw)