Enigma morst vermutlich zum letzten Mal

Seit heute Mittag 13 Uhr MEZ sendet eine Gruppe britischer Funkamateure unter dem Rufzeichen GB2HQ eine Nachricht im Morse-Code, die mit einer echten Enigma verschlüsselt wird.

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Von
  • Udo Flohr

Seit heute Mittag 13 Uhr MEZ sendet eine Gruppe britischer Funkamateure unter dem Rufzeichen GB2HQ eine Nachricht im Morse-Code, die mit einer echten Enigma verschlüsselt wird, mit der die deutsche Wehrmacht während des zweiten Weltkrieges ihre Nachrichten verschlüsselte. Das Government Communications Headquarters (GCHQ), die Abhörzentrale der Spionagedienste ihrer Majestät, stellte der Scarborough Special Events Group dafür eine noch funktionstüchtige militärische 3-Rotor-Version des Chiffriergeräts zur Verfügung. Die britische Regulierungsbehörde Ofcom erteilte eine einmalige Ausnahmegenehmigung für den verschlüsselten Morsebetrieb über Amateurfunkfrequenzen.

Die Sendungen kommen aus der GCHQ-Außenstelle in Irton Moor bei Scarborough und beginnen begannen heute um 11 Uhr UTC (13 Uhr deutscher Sommerzeit); und werden um 13, 17, 18 und 19 Uhr UTC sowie am morgigen Sonntag ab 11 Uhr UTC wiederholt. Eingesetzt werden die Sendebetriebsarten SSB, PSK und CW auf unterschiedlichen Freqenzen, die die SSEG auf ihrer Website aufgelistet hat.

Die Nachricht besteht aus vier 5-Buchstaben-Gruppen, die nach der Entschlüsselung eine Nachricht in englischer Sprache ergeben. (Die SSEG verspricht, später Einzelheiten zur Entschlüsselung und zur verwendeten Einstellung der Enigma zu veröffentlichen.) Sie wird mit relativ moderaten 15 Wörtern pro Minute gesendet, die von "einigermaßen kompetenten Morse-Enthusiaten leicht zu erreichen" sei und auch Neulingen ein Abhören ermöglichen soll. Die Aussendung soll - je nach Wetterlage und Freqenz - in Europa, aber auch in Nordamerika und anderswo zu empfangen sein.

Das korrekte Abhören werde jedoch nicht einfach sein, glaubt die SSEG, da fehlende Buchstaben sich nicht erraten lassen. So entstehe ein Eindruck von den Abhör-Schwierigkeiten vor sechzig Jahren - und immerhin sind heute und morgen Sendezeit und Frequenz bereits bekannt. Heutzutage kann man sich eine Enigma auch relativ einfach selbst bauen.

Funkamateure, aber auch Laien, die eine vollständig korrekte Mitschrift der Nachricht einsenden, erhalten gegen eine Gebühr von fünf Euro ein Zertifikat; Dechiffrieren ist dabei nicht nötig. Zur Empfangsbestätigung auch ohne vollständige Nachricht wurde eine spezielle QSL-Karte aufgelegt, die eine Enigma und einen historischen Kurzwellenempfänger zeigt.

Das Ereignis ist den britischen Freiwilligen - sogenannten Voluntary Interceptors (VIs) - gewidmet, die während des Zweiten Weltkriegs deutsche Funksprüche abhörten und an die Entschlüsselungszentrale in Bletchley Park bei London weiterreichten. Mit Hilfe einer erbeuteten Original-Enigma waren die Alliierten zeitweise in der Lage, große Teile des deutschen Funkverkehrs zu entschlüsseln. Im Zuge der Entwicklung entsprechender Algorithmen und Hardware wurden einige Meilensteine moderner Computertechnik gesetzt, unter anderem durch den genialen Mathematiker Alan Turing, der damals in Bletchley Park arbeitete.

Eine Enigma-Nachricht sei seit rund 60 Jahren nicht mehr im Funkverkehr zu hören gewesen, stellen die SSEG-Mitglieder in einer FAQ zum Event fest -- und sie glauben, Sonntag sei gleichzeitig das letzte Mal: Nach dieser historischen Aussendung werde die Enigma womöglich für immer schweigen. (Udo Flohr) / (as)