Aufregung über die Entscheidung zu Wahlcomputern in Kalifornien

Wahlamtsleiter fürchten Chaos und Kosten bei Rückkehr zu Papierstimmzetteln. Die Hersteller ziehen die Tauglichkeit der Überprüfungsmethode für die elektronischen Wahlmaschinen in Zweifel, die zu Zulassungsentziehungen und strengeren Auflagen führten.

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Von
  • Richard Sietmann
Die Entscheidung der kalifornischen Innenministerin Debra Bowen, vier elektronischen Stimmerfassungs- und zählsystemen die Zulassung zu entziehen und drei nur unter strengen Sicherheitsauflagen wieder zuzulassen, sorgt in dem Bundesstaat an der Westküste der USA für Aufregung. Während sich die betroffenen Hersteller um Schadensbegrenzung bemühen, werfen Wahlamtsleiter der Innenministerin einen politischen Schaukampf vor.
Die Wahlamtsleiterin des Riverside Countys beziffert die Folgekosten auf mindestens fünf Millionen Dollar für 650 Wahlkabinen und optische Scanner, wenn der Landkreis zu Papierstimmzetteln zurückkehren muss. Einige ihrer Kollegen in den anderen Counties erwägen, die Entscheidung gerichtlich anzufechten. Der stellvertretende Wahlamtsleiter des Los Angeles County warf der Ministerin vor, "telepathisch" vorgegangen zu sein und die Zulassung der in dem County eingesetzten "InkaVote Plus"-Systeme "ohne Tests oder auch nur Sichtprüfung" zurückgezogen zu haben. Deren Hersteller ES&S hatte sich allerdings geweigert, an dem "Top to Bottom"-Review teilzunehmen, woraufhin das Ministerium ihm die Zulassung für das System gänzlich entzog.
Das Unternehmen Diebold Election Systems, das sich gegenüber der Sicherheitsüberprüfung durch universitäre Teams unabhängiger Informatiker kooperativ verhalten hatte, zeigte sich enttäuscht von dem Ergebnis: Das Prüfkonzept der Ministerin hätte die Sicherheitsabläufe und -protokolle völlig ignoriert, die bei jeder Wahl zum Tragen kämen. "Ihr Hackerteam erhielt ungehinderten Zugang zu den Geräten, den Quellcode und zu allen anderen Informationen über Sicherheitseigenschaften, die Diebold dem Büro der Ministerin übergeben hat", klagt der Chef von Diebold Election Systems, Dave Byrd. "Die örtlichen Wahlämter in Kalifornien haben die passenden organisatorischen Maßnahmen und Abläufe getroffen, die die Sicherheitsmerkmale der Diebold-Wahlsysteme ergänzen."
Die Sicherheitsprüfung sei "keine realistische Risikoanalyse" gewesen, ließ auch Hart Intercivic in einer ersten Stellungnahme verlauten. "Dass Computer-Experten die Technik in die Hand bekommen, damit sie unbegrenzte, kalkulierte, sachkundige und bösartige Angriffe durchführen können, ist bei Wahlen in der realen Welt höchst unwahrscheinlich." Das Unternehmen begrüße aber, dass "diese Laborübung" das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für die Organisationsabläufe als integralen Bestandteil sicherer Wahlsysteme schärfe. Man wolle mit dem Innenministerium und den Kunden zusammenarbeiten, um die Auflagen für die Wiederzulassung zu erfüllen.
"Dies war keine Evaluation der Sicherheitsrisiken, sondern ein unrealistisches Worst Case Szenario", heißt es auch seitens des dritten betroffenen Herstellers Sequoia Voting Systems. Die von dem "Red Team" unternommenen Penetrationstests für Angriffe durch Innen- und Außentäter "würden alle durch den Voter-Verified Paper Trail und rechtlich vorgeschriebene Audits verhindert oder aufgedeckt". Dass dem Red Team kein dem Untersuchungsobjekt freundlich gesonnenes "Blue Team" gegenüber gestanden hätte, um die üblichen Sicherheitspraktiken bei Wahlen zur Abwehr ins Spiel zu bringen, bezeichnet das Unternehmen als methodischen Fehler.
Die Los Angeles Times sieht mit dem Widerruf der Zulassungen Kalifornien in den Mittelpunkt der nationalen Debatte über Wahlcomputer gerückt. Faktisch gehen die Auflagen zur Wiederzulassung weit über die Sicherheitsanforderungen hinaus, die mit dem Gesetzentwurf des demokratischen Abgeordneten Rush Holt aus New Jersey für alle Bundesstaaten verbindlich werden sollten. Doch obwohl die sogenannte Holt-Bill bereits Mitte Mai vom Rechtsausschuss an das Plenum überwiesen worden war und Holt nach eigenen Angaben eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß, hat es das US-Repräsentantenhaus in Washington vor der Sommerpause nicht mehr geschafft, den Entwurf zu verabschieden. Nach Ansicht von Beobachtern ist es daher sehr unwahrscheinlich geworden, dass die angestrebte Verschärfung der landesweiten Sicherheitsstandards für Wahlcomputer noch zu den Präsidentenwahlen im November 2008 wirksam werden kann.
Zum Thema E-Voting und elektronische Wahlmaschinen siehe auch:
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