EU und USA verhandeln erneut über Daten von Flugpassagieren

Die Abgeordneten wollen eine kurzfristige Lösung im Streit um die Fortsetzung des umstrittenen Abkommens über die Weitergabe von Flugpassagierdaten an die USA nicht verhindern, fordern aber Nachbesserungen.

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Die EU-Abgeordneten wollen eine kurzfristige Lösung im Streit um die Fortsetzung des umstrittenen Abkommens über die Weitergabe von Flugpassagierdaten (Passanger Name Records, PNR) an die USA nicht verhindern. Im Vorfeld der am morgigen Freitag startenden Verhandlungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über eine neue Basis für den Transfer der sensiblen persönlichen Informationen der Kunden von Fluggesellschaften fordern sie aber einige Nachbesserungen. Darüber hinaus soll das Abkommen nur bis zum ursprünglich vorgesehenen Ablauf seines alten Pendants gelten, also bis November 2007. Ersetzt werden soll es gemäß dem Willen der Abgeordneten durch einen Vertrag mit deutlich verbessertem Datenschutz für die EU-Bürger.

Bislang haben Fluggesellschaften in den EU-Staaten den US-Behörden 34 Detailinformationen pro Passagier freigegeben, die offiziell zunächst dreieinhalb Jahre gespeichert werden dürfen. Die Angaben enthalten nicht nur Namen, Geburts- und Flugdaten, sondern auch Kreditkarteninformationen, besondere Essenswünsche weitere Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern. Das US-Ministerium für innere Sicherheit, das Department of Homeland Security, will seinen bisher noch begrenzten Zugriff auf die Datenbanken noch erweitern und ausführliche Reisepläne sowie Details zu den gewählten Zahlungsmethoden eingeschlossen wissen. Gleichzeitig hatte sich EU-Justizkommissar Franco Frattini dafür eingesetzt, dass auch Strafverfolgungsbehörden auf dem alten Kontinent in den Daten schürfen dürfen. Im Vorfeld der Verhandlungen über das neue Zwischenabkommen sagte der Italiener aber nur, dass er zunächst keine inhaltlichen Änderungen am alten Vertrag befürworten werde. Wegen des Zeitdrucks plädierte er für einen "realistischen und pragmatischen Zugang" zu den Passagierdaten.

Das EU-Parlament hatte zunächst 2004 aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken gegen das erste transatlantische Abkommen zur Flugdatenweitergabe geklagt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kassierte das Abkommen Ende Mai wegen fehlender rechtlicher Grundlage und setzte der EU-Kommission klare Kündigungsfristen. Die Vereinbarung zum Datentransfer läuft daher am 30. September aus, sodass Brüssel und Washington in den verbleibenden drei Wochen mit Hochdruck an einer Neuregelung arbeiten müssen. Sollte bis zu der Deadline keine weitere Vereinbarung stehen, erwarten Diplomaten und der Internationale Luftfahrtverband IATA ein Chaos im Luftverkehr. Rund 100.000 USA-Reisende könnten jede Woche in Europa sitzen bleiben, lauten die Befürchtungen.

Angesichts dieser Notlage hat das EU-Parlament heute in Straßburg einen Bericht der Abgeordneten Sophie in't Veld von den Liberalen angenommen. Darin wird der EU-Rat aufgefordert, ausreichende Schutzvorkehrungen in dem neuen Abkommen vorzusehen. Das Ministergremium will bis Ende September gemäß den Forderungen des EuGH einen Rahmenbeschluss als geeignete Rechtsgrundlage für die Flugdatenweitergabe verabschieden. Den Parlamentariern kommt es dabei darauf an, dass die US-Seite zumindest endlich vollständig die Bedingungen der alten Vereinbarung implementiert. Insbesondere soll sie gemäß dem abgesegneten Bericht auf ein "Push-System" umstellen, in dem die US-Behörden nicht mehr die begehrten Daten direkt aus den Reservierungssystemen der Fluggesellschaften gleichsam absaugen. Dies haben auch die EU-Datenschutzbeauftragten bereits gefordert.

Darüber hinaus wollen die Abgeordneten in den Verhandlungsprozess als Beobachter einbezogen werden. Mittelfristig bestehen sie darauf, in die Arbeit an dem künftigen Abkommen für die Zeit nach November 2007 im Rahmen eines ordentlichen demokratischen Verfahrens mit Mitentscheidungsrechten eingebunden zu werden. "Es ist inakzeptabel, dass solche wichtigen Fragen durch eine Handvoll Minister und EU-Kommissare abgehandelt werden, die es sich hinter geschlossenen Türen gemütlich machen", empört sich in't Veld. Konkret hält die Niederländerin die von den USA verlangte Datenmenge für zu groß. Ändern müsse sich auch die Tatsache, dass die EU-Bürger in Fällen von Fehlern der US-Behörden keine Beschwerdemöglichkeit hätten. Generell könne es nicht angehen, dass die Bedingungen und Methoden im Kampf gegen den Terrorismus allein von den USA bestimmt würden.

Ähnlich sieht die Sache Cem Özdemir, der für die Grünen im Innenausschusses des Parlaments sitzt: "Es muss sichergestellt sein, dass die Verwendung der Daten auf die Terrorismusbekämpfung beschränkt ist und nicht für andere Zwecke, etwa Wirtschaftspionage, genutzt wird", betonte er im Rahmen der Debatte in Straßburg. Auch seien der Datenschutz und die Grundrechte zu respektieren. "Längerfristig muss die Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Gerichthofs beim Abschluss derartiger Abkommen sichergestellt werden", fordert Özdemir weiter. "Dazu brauchen wir ein europäisches Datenschutz-Rahmenübereinkommen." Nur so lasse sich die vom Parlament beklagte langsame Erosion an Grundrechten stoppen.

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(Stefan Krempl) / (jk)