Wissenschaftler fordert: Open Access gehört ins Urheberrecht

Gerd Hansen vom Münchner Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum plädiert für ein unabdingbares Recht von Forschern zur Zweitveröffentlichung im Internet.

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Von
  • Richard Sietmann

Um wieder etwas Bewegung in die festgefahrene Debatte um Open Access, also den für jedermann freien und uneingeschränkten Zugang zu den Ergebnissen der öffentlich finanzierten Forschung, zu bringen, hat Gerd Hansen vom Münchner Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum jetzt eine Alternative zur Anbietungspflicht angeregt. Jedem Wissenschaftler sollte, so Hansen vor der bis gestern in Bonn tagenden IuK-Initiative der zehn wissenschaftlichen Fachgesellschaften, nach einer gewissen Schonfrist für die Verlage das vertraglich unabdingbare Recht zur Zweitveröffentlichung auf der eigenen Website, der seines Instituts oder auf einem Archivserver zustehen.

Hansen schlägt dazu einen ergänzenden Satz im Urheberrecht vor: "An wissenschaftlichen Beiträgen, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind und in Periodika erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, den Beitrag nach Ablauf von grundsätzlich sechs Monaten seit Erstveröffentlichung öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zur Verfolgung nicht-kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist".

Anstelle einer dienstrechtlichen Verpflichtung wäre dies eine gesetzlich eingeräumte Option zu Open Access. Vorausgesetzt, dass die Wissenschaftler davon Gebrauch machen, würden durch die Zweitveröffentlichung im Internet wissenschaftliche Ergebnisse halbwegs zeitnah den Fachkollegen wie der Allgemeinheit frei zugänglich.

Auf den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zum Urheberrechtsgesetz -- der verabschiedungsreif dem Kabinett vorliegt -- hat die vorgeschlagene Ergänzung keinen Einfluss mehr, aber über das parlamentarische Anhörungs- und Beratungsverfahren könnte sie noch Eingang in den Zweiten Korb der Urheberrechtsreform finden.

Wissenschaftler müssen heute in der Regel akzeptieren, dass Fachzeitschriften, in denen sie ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen wollen, von ihnen das uneingeschränkte Verwertungsrecht an der Publikation verlangen. Aber Forscher sind nicht nur Autoren, sondern auch Leser, und bei Recherchen die einschlägige Literatur zu sichten wird immer schwieriger: Wer beim Browsen im Internet jedesmal die Zugangsgebühr für den Volltext entrichten muss -- je nach Fachgebiet verlangen Wissenschaftsverlage teilweise 20 bis 30 Euro oder US-Dollar pro Artikel -- hat seinen Etat schnell erschöpft.

Weltweit wächst daher die Zahl der Wissenschaftler, die sich für "Open Access" stark machen. Hierzulande bot sich im Rahmen der laufenden Urheberrechtsreform die Gelegenheit, dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, als die Kultusministerkonferenz den Vorschlag machte, für die an Hochschulen beschäftigten Wissenschaftlern eine dienstrechtliche "Anbietungspflicht" ins Urhebergesetz zu schreiben. Danach sollten Wissenschaftler verpflichtet werden, ein im Rahmen ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit entstandenes Werk zunächst ihrer Hochschule zur Veröffentlichung anzubieten, bevor sie es bei einem Verlag einreichen.

In den Expertenrunden des Bundesjustizministeriums (BMJ) machten Staatsrechtler jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Die vom Grundgesetz garantierte Wissenschaftsfreiheit umfasse auch das Recht, über das Ob, die Art und den Zeitpunkt der Veröffentlichung frei zu entscheiden. Seitens des BMJ fand dieser dienstrechtliche Ansatz kein Wohlwollen und das Problem des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen blieb in dem Gesetzentwurf zum Zweiten Korb der Urheberrechtsreform unberücksichtigt. (Richard Sietmann) / (anw)